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Der Böse ist schnell ausgemacht

Von Ina Weber

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Ina Weber.

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Vater verbrühte Kind. Der Böse ist schnell ausgemacht. So einfach ist die Faktenlage. Man schüttelt den Kopf: "Wie kann man nur", zeigt mit dem Finger. "Nehmt der Mutter auch noch die beiden anderen Kinder weg", brüllen die Boulevardmedien. Doch was genau in jenen Stunden passiert ist, wissen wir nicht. Das wird ein Gericht klären müssen, und selbst dieses wird an seine Grenzen stoßen. Was geht in einem Vater vor, der sein Kind - angeblich versehentlich - unter die heiße Dusche stellt? In jedem Fall auch Verzweiflung. Vor Gericht wird nicht nur ein Mensch stehen, sondern auch eine Partnerschaft, eine Familie, eine Generation, mehrere Generationen, ein ganzes System. Und in diesem System spielen wir alle eine Rolle. Es geht um den Umgang mit Kindern.

Ein Kind kann einen zur Verzweiflung bringen. So weit, dass man instinktiv auf Muster zurückgreift, die einem selbst als Kind widerfahren und eingebrannt wurden: eine kalte Dusche, ins Zimmer sperren, ins Eck stellen, eine Ohrfeige, Nichtbeachtung, verbale Drohungen, Wegnehmen, was man gern hat. Die Grenzen der "Konsequenzen" verschwimmen und finden heute unausgesprochen in den Wohnzimmern statt. Das ist keine Entschuldigung und schon gar keine Wiedergutmachung, es ist eine mögliche Erklärung. Heute stellt man sich mehr denn je die Frage, wie man am besten mit Kindern umgehen soll. Antworten darauf finden sich selten in den Boulevardmedien auf Seite eins. Antworten braucht es aber mehr denn je, um jenen zu helfen, die mit ihrem Leben überfordert sind.

Dass die beiden Geschwister des toten Mädchens nun auch sofort der Mutter weggenommen werden müssen, kann aber sicher keine Lösung sein. Denn es gibt immer auch Hinterbliebene - und diese brauchen mehr als reißerische Schlagzeilen.