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Ohne Russen geht es nicht. Nicht im Schach. Derzeit wird die Weltmeisterschaft ausgetragen. Kandidaten sind der Chinese Ding Liren und Jan Nepomnjaschtschi, "Nepo", wie ihn die Schach-Aficionados der Einfachheit halber nennen. Nepo ist Russe nach Geburt und Pass. Beim Turnier spielt er indessen nicht als Russe, sondern als Angehöriger der Fide, des Internationalen Schachverbands. Hätte man ihn ausgeschlossen, wäre der Sieger ein trauriger Weltmeister. Denn wenn er sich nicht an einem der Besten gemessen hat, ist der Titel wertlos.
Nepo hat in einem offenen Brief an Wladimir Putin gegen den Überfall auf die Ukraine protestiert. In der "Zeit" sagte Nepo: "Viele Menschen sind getötet worden, Ukrainer wie Russen. Zugleich bin ich ein russischer Staatsbürger und wünsche meinem Land das Beste."
Das vergleiche man mit den Anti-Putin-Statements, die man russischen Künstlerinnen und Künstlern abverlangt, nur, um sie dann vielfach doch nicht auftreten zu lassen.
Gewiss: Mittlerweile bröckelt auch dieser Boykott. Anna Netrebko wird wieder engagiert, und sieht man die Listen von Ensemblemitgliedern der Opernhäuser durch, stößt man wiederholt auf russische Künstlerinnen und Künstler.
Man mag zu dem Aufweichen des Boykotts in Kunst und Sport stehen, wie man mag: Nur Konsequenz sollte walten. Entweder man akzeptiert russische Künstlerinnen und Künstler, sofern sie nicht ausdrückliche Putin-Vasallen sind, oder man bleibt beim Boykott. Die lauwarme Gangart ist die einzige, die rein moralisch unhaltbar ist.