Der österreichische EU-Vorsitz wird im Zeichen des schwierigen britischen EU-Austritts stehen.
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Die Folgen des für 2019 geplanten britischen Ausscheidens aus der EU treffen natürlich auch Österreich. Durch den Verlust eines der wichtigsten Mitgliedsländer wird die EU politisch, sicherheitspolitisch, strategisch, kulturell, ökonomisch und finanziell schwächer und ärmer, intern und gegenüber der Außenwelt - aber auch Großbritannien selbst, dessen Führung sich trotz der bereits evidenten nachteiligen (wirtschaftlichen) Folgen der Illusion hingibt, dies durch eine "globale" Rolle, wie anno dazumal, wettmachen zu können, und sogar damit kokettiert, den seinerzeit von den Briten selbst vordringlich forcierten Binnenmarkt zu verlassen.
Immerhin haben der schockartige Brexit-Entscheid und die schon erkennbaren negativen Folgen gewissen Parteien und Gelüsten in anderen EU-Ländern einen Dämpfer versetzt, "was noch ein Glück ist", wie die Tante Jolesch sagen würde. Bei aller auch in Österreich gepflegten Meckerei über "Brüssel", das fälschlicherweise als Sündenbock für fast durchwegs nationale Entscheidungen herhalten muss: So weit, nämlich bis zum EU-Austritt, will man es, schon wegen der Unsicherheit über mögliche Folgen, dann doch nicht treiben.
Manche meinen, das europäische Projekt - ob nun in Richtung gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik und/oder in Richtung eines sozialeren Europas - könnte ohne die gewohnte britische Obstruktion nun leichter vorankommen. So einfach oder quasi automatisch wird das aber nicht der Fall sein. Unterschiedliche Ideologien, Ziele und Strategien der verbleibenden EU-Staaten bleiben bestehen. Und mit dem Wegfall der Briten könnten sie evidenter und akzentuierter werden. Ob die in Frankreich erhoffte Revitalisierung der deutsch-französischen Achse unter Emmanuel Macron als EU-Motor weiter beziehungsweise wieder funktionieren und die auseinanderströmenden Tendenzen (etwa in Fragen der Migration) einfangen kann, bleibt abzuwarten.
Als "was noch ein Glück ist" könnte man auch US-Präsident Donald Trump und seine die Europäer irritierenden Positionen bewerten, denen er den gewohnten militärischen Schutzschirm zu entziehen droht. Wird die EU dadurch politisch weniger US-hörig? Oder wird sie nur militärisch aufrüsten?
Weniger "ein Glück" ist der Wegfall des zweitgrößten Nettozahlers ins EU-Budget. Ob, wo und wie eingespart werden kann (wie der EU-Nettozahler Österreich fordert), wird noch Thema von Auseinandersetzungen werden. Und dann ist noch - in beiderseitigem Interesse - das künftige Verhältnis zwischen EU und Briten in einer breiten Palette von Materien zu regeln.
Bei all dem wird Österreichs Diplomatie und Politik besonders gefordert sein, weil unser Land in der zweiten Jahreshälfte 2018 die rotierende EU-Präsidentschaft übernimmt - in einer Zeit, in der zukunftsweisende Weichenstellungen getroffen werden müssen. Bisher hat Österreich seine EU-Präsidentschaften gut gemeistert. Diese Rolle sollte man nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen. Innenpolitische Querelen, wie sie derzeit gang und gäbe sind, wären jedenfalls hinderlich. Zumindest die Regierungsparteien müssten europapolitisch an einem Strang ziehen.