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Der "Buchhändler aus Kabul" klagt Autorin

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Im November 2001 kam die norwegische Journalistin Asne Seierstad mit den Truppen der Nordallianz in die befreite afghanische Hauptstadt Kabul und lernte dort den Buchhändler Sultan Khan kennen, der während der Taliban-Herrschaft rund 10.000 verbotene Bücher versteckt und so vor der Vernichtung gerettet hatte. Asne Seierstad lebte fünf Monate lang bei der Familie Khans und schrieb über ihre Erfahrungen das Buch "Der Buchhändler aus Kabul" (Claasen Verlag), das in der Zwischenzeit in 17 Sprachen übersetzt wurde. Jetzt verlangt Sultan Khan, dass die Kopien der Bücher verbrannt werden, weil er sich durch das Buch diffamiert fühlt.


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Asne Seierstad hatte in ihrem Buch, das zum Bestseller geworden ist, das private Gesicht Afghanistans gezeigt, vor allem das der Frauen, sozusagen einen Blick hinter die Burkha gemacht. Seierstad beschrieb nicht nur den weltoffenen Buchhändler Sultan Khan, der tausende Bücher vor den obskuranten Religionsschülern gerettet hat, sondern auch das Familienleben dieses Mannes mit all seinen Verästelungen, die in der afghanischen Gesellschaft wurzeln: Hochzeitsvereinbarungen über den Kopf der Frauen hinweg, Verstoßung von Frauen, körperliche Strafen.

Sultan Khan jedenfalls fühlt sich jetzt von dem Buch verunglimpft und hat in Norwegen ein Strafverfahren gegen Asne Seierstad angestrengt. Gleichzeitig reist quer durch ganz Europa und stellt seine Sicht der Dinge dar. Demnächst will er auch auf der Frankfurter Buchmesse seinen Fall vortragen. Das Buch sei gegen seine Familie und seine Kultur gerichtet, die Beschreibung seiner Eltern sei beleidigend. Das Bild Afghanistans, das darin dargestellt werde, sei ein sehr schlechtes und überhaupt sei das ganze eine Frage der Ehre und sein Leben sei in Gefahr, weil jemand das Buch missverstehen könnte, meinte Khan in einem Interview mit der italienischen Zeitung "la Repubblica". Deshalb müsse das Buch auf dem Scheiterhaufen landen.

Asne Seierstad bestreitet im Gegensatz zu Khan, dass es eine Übereinkunft darüber gegeben habe, was sie publizieren dürfe. Sie habe das beschrieben, was sie gesehen und erlebt habe. Sie habe gar nicht anders können als diese Dinge aufzuzeigen. Wenn Sultan Khan das Buch nicht gefalle, sei das sein Problem. Sie werde sich aber sicher nicht entschuldigen oder ihr Buch ins Feuer werfen.

Zwei Treffen Seierstads mit Khan in Norwegen konnten den Streit nicht entschärfen. Jetzt läuft die Klage gegen die Autorin und Sultan Khan reist mit seiner Sicht der Dinge durch Europa.