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Der "Bulldozer" greift wieder nach der Macht

Von Najib Khazzaka

Politik

Beirut - Für seine Anhänger ist der ehemalige libanesische Regierungschef Rafik Hariri, der nach seinem Wahlsieg im Oktober damit rechnen kann, wieder zum Regierungschef gewählt zu werden, der Retter der Wirtschaft. Für seine Feinde und Verleumder ist er ein Verschwender, dessen Amtsführung sich vor allem durch Korruption auszeichnete. Objektiv betrachtet schaffte er es erstmals, vor einer Parlamentswahl mit den starken religiösen Kräften im Land feste Allianzen einzugehen - ein Novum im von Moslems und Christen unterschiedlicher Richtung geprägten Libanon. Hariri war bereits von 1992 bis 1998 libanesischer Premier.


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Hariris Werdegang gleicht dem Klischee der Erfolgsgeschichte vom Tellerwäscher zum Millionär. Vor 55 Jahren in der südlibanesischen Stadt Sidon (Saida) als Sohn eines Landarbeiters geboren, versuchte er als 18-Jähriger sein Glück in Saudiarabien. 14 Jahre lang wartete er darauf. Dann baute er 1977 für eine französische Firma binnen sechs Monaten einen Palast in Taif, gut 50 Kilometer östlich von Mekka, für den saudischen König Khaled und war ein gemachter Mann. Anschließend kaufte er die Firma, mit der er sein Imperium aufbaute. Er gewann zudem das Vertrauen des saudischen Kronprinzen Fahd, der 1978 den Thron bestieg, und erhielt die saudiarabische Staatsbürgerschaft.

Heute besitzt der Mann mit den beeindruckenden Augenbrauen Schätzungen zufolge rund zehn Milliarden Dollar (153 Mrd. S). Investiert hat der Baulöwe sein Geld in alles, was als Lizenz zum Gelddrucken erschien: in Banken, Immobilien, Öl, Mobilfunk und Medien. Was dem zwei Mal verheirateten Vater von fünf Kindern Ende der achtziger Jahre noch fehlte, war politische Macht. Dafür legte er 1989 den Grundstein: Er finanzierte die inter-libanesischen Beratungen in Taif, bei denen ein Friedensplan zur Beendigung von 15 Jahren Bürgerkrieg ausgearbeitet wurde. 1992 zahlten sich die Mühen des Milliardärs aus: Er wurde Ministerpräsident.

Während er sich als Regierungschef um die Erneuerung von Staat und Infrastruktur kümmerte, rückten im zerstörten Zentrum Beiruts die Baumaschinen zur Sanierung der Stadt an. Den Auftrag für den Wiederaufbau der Innenstadt erhielt ein privates Unternehmen - Hariri hatte es einst gegründet.

Wegen seiner früheren Tätigkeit und wohl auch wegen seines Durchmarsches an die Spitze der Politik taufte die Presse ihn "Bulldozer". Mit aller Kraft machte er sich daran, im Ausland um Vertrauen und Investitionen zu werben. Doch vor allem ein Land ließ sich davon nicht beeindrucken: Syrien. Hariris Handlungsspielraum blieb durch die systematischen Einflussnahmen Syriens, dessen Satellitenstaat der Libanon gewissermaßen ist, sehr begrenzt. Hariris Bemühungen um den Aufbau des Landes erhielten 1993 und 1996 mit militärischen Angriffen Israels erhebliche Dämpfer.

Als der maronitische General Emile Lahoud 1998 Präsident wurde, machte er aus der Abneigung für den Sunniten Hariri keinen Hehl. Nach libanesischen Usancen geht das Amt des Präsidenten immer an einen Christen, das des Premiers an einen Moslem. Die politischen Überzeugungen zwischen beiden konnten nicht gegensätzlicher sein. Lahoud drängte Hariri aus dem Amt und setzte als seinen Nachfolger Selim Hoss ein, der schon wiederholt Regierungschef gewesen war und nun vermutlich wieder für Hariri Platz machen muss.