Zum Hauptinhalt springen

Der Bumerang australischer Schuld

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Kommende Woche will sich Regierung bei den Aborigines entschuldigen. | Restitutionen könnten für Bergbau-Konzerne wie Rio Tinto teuer werden. | Canberra. Down Under bricht ein neues Zeitalter an. Nachdem elf Jahre lang eine konservative Regierungskoalition über das Land geherrscht hat, ist seit Ende November 2007 die sozialdemokratische Labor Party unter Kevin Rudd (50) an der Macht. Und Rudd will vieles anders machen - mit großen wirtschaftlichen Auswirkungen. Er wendet sich dem Klimaschutz zu (und ratifizierte Australiens Beitritt zum Kyoto-Protokoll) - und hat die Wahl vor allem deshalb gewonnen, weil er versprochen hat, große Teile der Arbeitsrechtsreform der vergangenen Regierung zurückzunehmen, die von vielen Australiern als zu unternehmensfreundlich angesehen worden war. Denn seit 2006 dürfen in Australien - als einzigem westlichen Land - beispielsweise die Gewerkschaften nicht einmal mehr streiken.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Und noch etwas macht Rudd anders: Er ist um Versöhnung zwischen den weißen Australiern und der indigenen Bevölkerung bemüht - auch wenn er sich vorläufig gegen einen Entschädigungsfonds ausgesprochen hat. Aber bei der Parlamentseröffnung am 13. Februar will Rudd eine Entschuldigungsrede halten.

Diskussion wird akkut

Ein Akt, den Rudds Amtsvorgänger John Howard stets abgelehnt hat, "um die Restitutionsdiskussion nicht aufkommen zu lassen", erklärt Roman Rauch, der als österreichischer Handelsdelegierter sieben Jahre die australische Wirtschaft beobachtet hat. "Diese Geste ist etwa vergleichbar mit dem Schuldeingeständnis des Kanzlers Vranitzky über die NS-Vergangenheit Österreichs", meint Rauch und sieht darin das Öffnen der Tür zur finanziellen Wiedergutmachung.

Zwei große Komplexe müssen aufgearbeitet werden: Einerseits die "Stolen Generation", die der Staat direkt zu verantworten hat: Bis in die 70er Jahre hinein wurden Aborigines-Kinder ihren Eltern weggenommen, um sie bei weißen Familien zu sozialisieren. Einige Kinder sahen ihre Familien nie wieder.

Der zweite Komplex hängt mit dem immensen Wohlstand des Landes zusammen: Rohstoffen aus dem Bergbau. "Und die großen Minen stehen alle auf ehemaligen Stammesgebieten der Aborigines", erklärt Rauch. Damit wären auch die weltgrößte Minengesellschaft BHP Billiton und Rio Tinto, die Nummer zwei am Markt, betroffen. Beide Unternehmen haben ihre jeweils geteilten Firmensitze in London und Melbourne und waren zuletzt aufgrund von Übernahmeversuchen auch in den europäischen Schlagzeilen.

BHP Billiton erwirtschaftete im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von rund 47,5 Mrd. Dollar mit einem Gewinn von über 10 Mrd. Dollar. Rio Tinto kam auf 22,5 Mrd. Dollar bei einem Gewinn von rund 4 bis 5 Mrd. Dollar. "Die Bergbau-Konzerne haben in den vergangenen Jahren soviel Geld gemacht, dass sie in den Augen vieler Australier keine Ausrede haben, sich vor Entschädigungen zu drücken. Es geht um Unmengen von Geld", meint Rauch. Konkrete Aktionen sind noch keine geplant, allerdings denken NGOs nun verstärkt über Sammelklagen nach - sowohl über Einmalzahlungen als auch über Lizenzzahlungen für die laufende Nutzung der Minen.

Damit könnte Australien, das seit 16 Jahren ununterbrochen stabil wächst und zu den reichsten OECD-Ländern gehört, einen Teil seines ruhmlosen Erbes hinter sich lassen. Die offizielle Entschuldigung ist immerhin für die australische Ministerin für Ureinwohner-Angelegenheiten, Jenny Macklin, "der erste, notwendige Schritt".