Länder gehen via Medien in die Offensive. | Streitpunkt Stabilitätspakt. | Unis kämpfen für mehr Mittel. | Wien. Erfolg ist mitunter eine Sache der richtigen Verhandlungsstrategie. Auf Bundesebene verständigten sich SPÖ und ÖVP bei ihren Budgetgesprächen auf Geheimdiplomatie hinter verschlossenen Polstertüren. Dass sie diese trotz konkurrierender Interessenlage zweier Regierungsparteien - und mit Ausnahme von Universitäten und Schule - weitgehend durchhalten, grenzt realpolitisch im klatschfreudigen Österreich an ein kleines Wunder. | Analyse: Sparen allein ist schon schwer, Schwerpunkte setzen noch viel mehr
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Diametral entgegengesetzt legen die Länder ihre Verhandlungsstrategie an. Parallel zu den auch diese Woche mit Hochdruck laufenden Verhandlungen wird hier nicht mit Interviews und Pressekonferenzen gegeizt. Den Ländern ist bewusst, dass sie vom Bund als Sparpotenzial wahrgenommen werden. Entsprechend ihre Gegenwehr.
Nachdem das Wochenende den traditionellen Beichtstuhlgesprächen zwischen Finanzministerium und den Fachministerien gewidmet war, stand der Montag einmal mehr im Zeichen der Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern. Zu Mittag wurde in einer eigenen Verhandlungsgruppe über die Finanzierungsprobleme bei der Pflege debattiert, anschließend stand der neue Stabilitätspakt auf dem Programm. Wie berichtet, kursieren Gerüchte, wonach die Pflegestufen 1 und 2 gestrichen werden könnten. In Pflegestufe 1 erhält man derzeit 154 Euro monatlich. Die Länder laufen gegen eine mögliche Streichung Sturm. Für den Abend war im Bundeskanzleramt eine große Runde mit Bundeskanzler Werner Faymann und Finanzminister Josef Pröll angesetzt. Heute Dienstag geht es mit den Themen Bildung und Deregulierung weiter.
Ton zwischen Bund und Ländern wird schärfer
Apropos Stabilitätspakt neu: Die diesbezüglichen Wünsche des Bundes erachten die Länder als über das Ziel schießend. Pünktlich zu den Verhandlungen hat deshalb das Land Salzburg ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Walter Berka präsentiert, in dem den Vorhaben des Bundes "gravierende verfassungsrechtliche Bedenken" attestiert werden. Salzburgs Landeshauptmann-Stellvertreter David Brenner (SPÖ) wollte das Gutachten gegenüber Kanzler und Vize zur Sprache bringen.
Bekanntlich will der Bund unter anderem einen mehrjährigen Ausgabenrahmen sowie Haftungsobergrenzen für Länder und Gemeinden. Außerdem soll es Strafzahlungen bis zu 100.000 Euro geben, wenn ein Vertragspartner falsche Informationen über seine Budgetsituation liefert. Der Stabilitätspakt soll außerdem jährlich erneuert, statt wie bisher alle vier bis sechs Jahre neu verhandelt zu werden.
Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) ist von der Schweigestrategie des Bundes für einmal abgewichen und hat das Gutachten zurückgewiesen: Ausgaben- und Haftungsobergrenzen werden europaweit angestrebt, "wieso sollte das für die österreichischen Bundesländer verfassungswidrig sein".
Insgesamt betonen die Länder, sich durchaus an der Sanierung des Haushalts beteiligen zu wollen. Jedoch nur unter der Bedingung, dass sich der Sparwillen auf alle drei Gebietskörperschaften erstreckt, es zu keinen weiteren einseitigen Belastungsverschiebungen zu Lasten von Ländern oder Gemeinden kommt und diese auch von allfälligen neuen Steuern zu einem Drittel profitieren. Was der Bund von diesen Bedingungen hält, ist nicht überliefert.
Akademisches Leben steht still
Zu den heißesten Eisen des Budgets gehören die Universitäten. Am Dienstag steht quasi im ganzen Land das akademische Leben still, Studenten und Rektoren haben zum Protest gegen den Budgetkurs der Regierung aufgerufen. Die drei Medizin-Unis in Wien, Graz und Innsbruck kündigten schon einmal vorsorglich die Streichung von mindestens 450 Stellen primär im ärztlichen Bereich an, sollten die Budgetpläne Realität werden. Derzeit ist vorgesehen, dass die Universitäten bis 2013 nur mit einem gleichbleibenden Budget rechnen können.
Am Mittwoch wird Finanzminister Pröll dem Nationalrat über den aktuellen Stand der Budgetverhandlungen berichten.
Am Wochenende plädierte Wifo-Chef Karl Aiginger für eine ausgabenseitige Budgetsanierung. Angesichts steigender Einnahmen aufgrund der besseren Konjunktur sei die Gefahr real, dass "wieder der Bruder Leichtsinn zu uns kommt". Dass Steuersystem bezeichnete er als "unfair, chaotisch und ungerecht", insgesamt solle die Abgabenquote aber nicht steigen.