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"Der Bund soll uns machen lassen"

Von Walter Hämmerle

Politik

Grünen-Spitzenkandidat Johannes Rauch im Interview.


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Bregenz. 30 Jahre sind aus Sicht der Vorarlberger Grünen mehr als genug. Seit 1984, als die Ökopartei dank der Zugkraft des Politikoriginals Kaspanaze Simma erstmals den Einzug in den Landtag schaffte, fristen die Grünen ihr Dasein in der Opposition. Das soll nach den Wahlen am 21. September anders werden.

Offen wie nie meldet deshalb Spitzenkandidat Johannes Rauch den Anspruch seiner Partei an, mit der Volkspartei von Landeshauptmann Markus Wallner mitregieren zu wollen. Die Chancen dafür stehen so gut wie nie. Da ist zum einen die westösterreichische politische Großwetterlage: Schwarz-Grün regiert nach Oberösterreich nun auch in Salzburg und Tirol. Zum anderen hat sich das Klima im Land zwischen ÖVP und Grünen spürbar entspannt, wozu neben dem Wechsel von Herbert Sausgruber zu Wallner nicht zuletzt auch der betont bürgerliche Auftritt der Ländle-Grünen beigetragen hat.

"Wiener Zeitung": Herr Rauch, bei den Nationalratswahlen 2008 und 2013 kamen die Grünen im Land jeweils auf 17 Prozent, bei den jüngsten EU-Wahlen sogar auf 23 Prozent. Bei Landtagswahlen dümpeln die Grünen seit Jahren bei 10 Prozent. Warum können Sie Ihr Potenzial nicht ausschöpfen?Johannes Rauch: Das kann man nicht so allgemein sagen. In manchen Gemeinden kommen wir an die Ergebnisse bei Nationalratswahlen heran, die EU-Wahlen fallen aufgrund der niedrigen Beteiligung aus der Rolle, weil wir davon überproportional profitieren. Tendenziell glaube ich, dass sich die Ergebnisse der diversen Wahlgänge annähern. Hinzu kommt, dass in Vorarlberg der Trend in den letzten Jahren sicher so war, dass bei Bundeswahlen die Leute im Zweifel gegen die ÖVP, im Land aber für sie gestimmt haben. Auch das ändert sich, deshalb rechne ich, dass wir am 21. September an der 15-Prozent-Marke kratzen werden.

Sie wollen regieren, das wollen allerdings auch FPÖ, SPÖ und Neos. Keine guten Voraussetzungen für Koalitionsverhandlungen, oder?

Nein, in Vorarlberg wird traditionell nach dem Bestbieterprinzip entschieden, der Billigstbieter geht leer aus. Es muss also etwas weitergehen im Land, vor allem in der Bildungspolitik, wo wir eine Modellregion für die Gemeinsame Schule wollen, aber auch in der Energie- und Landwirtschaftspolitik. Letztendlich stehen wir vor einer Richtungsentscheidung: Geht die ÖVP zurück zu Schwarz-Blau oder wagt sie einen neuen Weg? Wie diese Entscheidung ausfällt, macht für ein Wirtschafts-, Export- und Kulturland wie Vorarlberg einen enormen Unterschied. Schwarz-Blau oder Schwarz-Grün ist nicht nur eine Frage der Inhalte, da geht es auch um Stil und Außenwahrnehmung.

Bei Koalitionen geht es nicht zuletzt um Fragen der persönlichen Chemie. Wie ist Ihr Verhältnis zu Landeshauptmann Wallner?

Wir haben ein intaktes Gesprächsverhältnis, das zeigt sich auch darin, dass wir einmal sogar dem Budget im Landtag zugestimmt und so das 365-Euro-Jahresticket für den öffentlichen Verkehr durchgesetzt haben.

Wie links sind eigentlich die Vorarlberger Grünen - Stichwort Homo-Ehe, Drogenliberalisierung, etc? Ihre Wiener Parteikollegen fahren ja einen prononcierten Kurs.

Die Unterschiede zwischen Wien und Vorarlberg sind nicht so groß. In Wien ist die Volkspartei so schwach wie bei uns die Sozialdemokraten, deshalb dominiert in Wien die SPÖ und bei uns die ÖVP. In der Art der Machtausübung gab es keine großen Unterschiede. Das gerät jetzt ins Rutschen. Vorarlberg etwa ist längst nicht mehr so konservativ, wie es einmal war. Wir Grünen haben in gesellschaftspolitischen Fragen stets klare Positionen bezogen, egal ob es sich um die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften oder um Asylfragen handelt. Hier ist auch die ÖVP kein homogener Block. Für die Landespolitik ist das aber weitgehend irrelevant.

Welche Landeskompetenzen würden Sie an den Bund abgeben, welche sollte der Bund an die Länder übertragen?

Das nur aus dem Blickwinkel von Bund und Ländern zu betrachten, ist zu kurz gegriffen, da müssen auch die Gemeinden und die Bezirkshauptmannschaften einbezogen werden. Eine sinnvolle Kompetenzaufteilung muss unbedingt im Rahmen der kommenden Finanzausgleichsverhandlungen diskutiert werden. Derzeit etwa ist die Kinderbetreuung bei den Gemeinden und das Land finanziert mit, das ergibt ein ziemliches Durcheinander. Ich würde die Kinderbetreuung zur Gänze den Ländern übertragen. Andere Dinge kann man wiederum den Gemeinden übertragen, unter der Bedingung, dass diese vernünftig miteinander kooperieren, das gilt auch für das Verhältnis von Bund und Ländern. Wenn eine gute Kooperation gewährleistet ist, verliert die Frage an Bedeutung, wer was konkret macht. Eine Steuerhoheit der Länder kann ich mir aber auf jeden Fall gut vorstellen.

Und die Bildungskompetenz an die Länder zu übertragen?

Ich sehe das pragmatisch: Der Bund soll uns einen Modellversuch "Gemeinsame Schule Vorarlberg" machen lassen, dann sieht man ja, ob so etwas Sinn macht oder nicht. Das muss man ausprobieren. Auf eine große Bildungsreform warten wir noch ewig.

Sind die Neos eine Gefahr für Ihr Wahlziel von 15 Prozent?

Ich habe mich vor einem Jahr mehr gefürchtet. Es zeigt sich jetzt, dass die auch nur mit Wasser kochen. Die Neos werden in den Landtag kommen, das ist gut, weil sie ein liberales, wenngleich mitunter ein neoliberales Weltbild vertreten.

Was, wenn Sie Ihre Ziele dennoch nicht erreichen?

Darüber denke ich jetzt, neun Tage vor der Wahl, sicher nicht nach.

Johannes Rauch
Seit 1997 ist der ehemalige Sozialarbeiter Jahrgang 1959 bereits Parteichef der Vorarlberger Grünen. Im Landtag sitzt der Vater zweier erwachsener Töchter seit 2000, Klubobmann ist er seit 2007.

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