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Der Bundes-Schnäppchen-Minister

Von Alexander von der Decken

Gastkommentare
Alexander von der Decken ist außenpolitischer Redakteur in Bremen.

Für den deutschen Entwicklungsminister Dirk Niebel könnte seine afghanische Teppich-Affäre noch schwerwiegende Folgen haben.


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Der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel hat sich in Afghanistan einen Teppich gekauft und mit einer Regierungsmaschine des Bundesnachrichtendienstes direkt am Zoll vorbei nach Hause fliegen lassen. Aus Dummheit, Arroganz, fehlendem Fingerspitzengefühl oder Gier? Dummheit ist entschuldbar, Arroganz weniger, fehlendes Fingerspitzengefühl ist Vorsatz, Gier unentschuldbar. Der "Spiegel" hakte nach, Niebel stellte einen Antrag auf Nachverzollung, womit die Sache für ihn erledigt sei, wie er unmissverständlich klarstellte. Schließlich sei mit der Nachverzollung kein strafrechtlicher Aspekt mehr erkennbar. Der Minister ist mit sich im Reinen, doch die Medien weben an einer Teppich-Affäre.

Soll hier nach den Kapriolen des Ex-Präsidenten Christian Wulff die nächste Sau durchs Mediendorf getrieben werden? Die Versuchung ist groß, da der Betroffene nach der Richterrobe greift, um Recht in eigener Sache zu sprechen. Niemand hat erwartet, dass sich nach Wulffs vorzeitigem Amtsende so schnell eine neue Sau zum Treiben finden ließe. Und genau das ist die eigentliche Geschichte. Dass Dirk Niebel seine ausgediente Bundeswehrmütze auf Dienstreisen trägt, mag man ihm als Marotte durchgehen lassen. Dass er sich aber den Orden des "Bundes-Schnäppchen-Ministers" umhängt, ist sicher für die Zunft der Komiker ein Glücksfall, für den klaren Menschenverstand aber ein wirkliches Ärgernis. Warum? Weil einem Skandal - wenn nicht die Einsicht - wenigstens die Mäßigung folgen sollte. Das liegt eigentlich in der Logik der Sache.

Wulffs Abwehrstrategie bestand im Scheibchenschneiden. Er hoffte, mit gebremstem Informationsfluss die Steuerungsmechanismen in der Hand zu behalten. Er verkannte, dass er sich qua Amtes nicht selbst freisprechen konnte, versuchte es aber wider besseres Wissen. Die Medien erkannten das und taten, was ihre Aufgabe ist: Sie informierten. Wenngleich man über die Art und Weise streiten kann, taten sie das einzig Richtige, indem sie Wulff das Messer aus der Hand nahmen und die Scheiben selber schnitten, und zwar in der notwendigen Dicke. Niebel hat die damalige Entwicklung entweder nicht verfolgt oder falsche Schlüsse gezogen, wenn er die Diskussion um seine Person selbst für beendet erklärt. Denn dies steht ihm nicht zu. Nicht das Amt verleiht dem Inhaber Würde, sondern der Inhaber muss sich des Amtes würdig erweisen. Niebel hat offenbar das falsche oder kein Amtsverständnis. Wie sonst ist es möglich, dass er sich allen Ernstes damit verteidigt, mit seinem Teppichkauf das afghanische Kleingewerbe stärken zu wollen. Ja, ihn drückte sogar ein schlechtes Gewissen beim Anblick des Teppichs in seinem Esszimmer, wird kolportiert. Aber irgendwie sei die ganze Sache leider in Vergessenheit geraten. Aha!

Nein, es ist wirklich nicht kleinkariert, von einer Teppich-Affäre zu sprechen; es ist richtig, die Sau durchs Mediendorf zu treiben, solange das Amtsverständnis von Amtsträgern derart verweigert. Die deutsche Regierung ist keine Marmeladefabrik, bei deren Mitarbeitern von Berufs wegen immer wieder etwas an den Fingern kleben bleibt.