Volksanwältin Brinek kritisiert völlig unverständliche Beamten-Pensionsbescheide.
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Wien. Weil derzeit so viel von Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachungen die Rede ist, lohnt sich ein Blick auf die Pensionen der Bundesbeamten - oder genauer: auf den Pensionsbescheid für Bundesbeamte. Wer einen solchen in die Finger bekommt, hält ein Meisterwerk österreichischer Verwaltungskunst in seinen Händen: Für Normalsterbliche ist der Bescheid über sieben A4-Seiten (12 inklusive der Liste mit den Beitragsgrundlagen) völlig unverständlich.
Natürlich gibt es eine Erklärung dafür, warum die Pensionsbescheide der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter hinsichtlich Verständlichkeit und Komplexität aus dem Ruder laufen, und die ist sogar positiv: Die diversen Pensionsreformen der Regierungen seit 2000 haben die einst simple Rechnung, wonach der Ruhegenuss eines Bundesbeamten bei 80 Prozent des Letztgehalts liegt, in eine komplexe Angelegenheit verwandelt, da verschiedene Versicherungszeiten nach verschiedenen Rechenmodellen berechnet werden müssen. Für den Bürger liest sich die Anleitung der Pensionsberechnung in etwa so (die Angaben stammen aus einem Bescheid, der der "Wiener Zeitung" vorliegt:
"1. Zunächst ist der Ruhegenuss (3.081,02) von der Vergleichspension (3.349,28) abzuziehen. Der sich daraus ergebende Betrag (268,26) ist in einem auf drei Kommastellen gerundeten Prozentsatz der Vergleichspension auszudrücken (8,009%).
2. Derjenige Teil der Vergleichspension, der über dem Betrag von 2.472,54 liegt (876,4), ist mit dem sich aus Z.1 ergebenden Prozentsatz zu multiplizieren.
3. Zu dem sich aus Z.2 ergebenden Betrag ist ein Betrag zu addieren, der 7% von 2.472,54 entspricht.
4. Der sich aus Z.1 ergebende Betrag (268,26) ist höher als der sich aus Z.3 ergebende Betrag (243,30); der Erhöhungsantrag entspricht daher der Differenz zwischen den sich aus Z.1 und Z.3 ergebenden Beträgen, das sind monatlich 24,96."
Und dann sind es nur noch ganz wenige Schritte, und der Bürger erfährt endlich die tatsächliche Höhe seines Ruhegenusses.
Marin: Beamte werden strukturell bevorzugt
Natürlich handelt es sich dabei um Übergangsregelungen. Das Problem ist, dass diese erst im Jahr 2065 auslaufen. "Und mit wachsender Länge und Komplexität steigt natürlich die Anfälligkeit für Fehler", erklärt Volksanwältin Gertrude Brinek. Sie kritisiert nicht nur die mangelnde Verständlichkeit solcher "Monster-Bescheide", sondern auch die daraus resultierenden Folgen für die Rechtsstaatlichkeit: "Wie kann ich gegen einen solchen Bescheid berufen, wenn ich die konkreten Details kaum verstehe?"
Für den Sozialwissenschafter und Pensionsexperten Bernd Marin untermauern solche Bescheide eine Tendenz im modernen Sozialstaat, die die Bürger zur Hilflosigkeit verurteilt: "Man ist auf Treu und Glauben angewiesen, dass der Bürokratie keine Fehler unterlaufen. Selbst überprüfen kann man das nämlich nicht mehr. Schon kleine Rechenfehler können bei so unglaublich komplexen Berechnungen zu gravierenden Folgen führen. Hier geht es schnell um viel Geld. Das ist grundsätzlich sehr problematisch."
Marin liest aber noch etwas Grundsätzliches aus dem anonymisierten Ruhegenussbescheid: Die nach wie vor erhebliche strukturelle Bevorteilung der Beamten gegenüber ASVG-Versicherten im Pensionsbereich: "Ein Bundesbeamter erreicht praktisch bereits nach 10 Beitragsjahren jenes Niveau, auf das ein ASVG-Versicherter erst nach 28 Jahren kommt. Hier leben wir in Österreich nach wie vor in zwei Welten."