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Der Charme des Schwarms

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Gemeinsam investieren: Viele Kleinanleger können ein Start-up groß machen.
© fotoliat/thingamajiggs

Österreich will Hürden abbauen, in der EU überlegt man einheitliche Regeln.


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Wien. Österreichs Klein- und Mittelbetriebe (KMU) stecken in der Klemme - genauer gesagt in der Kreditklemme. Die Finanzkrise und verschärfte Eigenkapitalvorschriften für Banken gemäß Basel III haben dazu geführt, dass selbst positiv bilanzierende Firmen oft keine Bankkredite mehr bekommen. Dabei ist gerade in Österreich der Bedarf an Fremdkapital groß. "Die Eigenkapitalausstattung unserer KMU liegt bei rund 25 Prozent des Gesamtkapitals, womit Österreich im EU-Vergleich das Schlusslicht ist", rechnet Elisabeth Heller, Geschäftsführerin der Unternehmensberatungsfirma Heller Consult, vor. "Daher ist es nicht verwunderlich, dass Crowdfunding im Moment einschlägt wie eine Bombe. Denn sowohl Unternehmer als auch Investoren sind auf der Suche nach Alternativen."

Doch was steckt hinter der "Schwarmfinanzierung"? "Man muss klar zwischen Crowdinvesting und Crowdfunding unterscheiden", betont Elisabeth Heller. Beim Crowdfunding unterstützen Privatpersonen eine Projektidee mit finanziellen Beiträgen. Da dadurch keine Beteiligung am Unternehmen oder am Gewinn entsteht, entspricht das eher Spenden oder Sponsoring.

"Finanziert sich ein Unternehmen über die Crowd, muss man von Crowdinvesting sprechen. Denn hier beteiligen sich Privatinvestoren an den kapitalsuchenden Unternehmen", weiß Heller. "Im Gegenzug sind sie am Gewinn oder dem Kapital des Unternehmens beteiligt. Wobei die bestehenden Crowdinvesting-Plattformen unterschiedliche Formen anbieten - von der stillen Beteiligung bis zum Genussrecht." Doch gerade für KMU gibt es beim Crowdinvesting derzeit noch Stolpersteine.

Hilfe für KMU

Die höchste Hürde ist die sogenannte "Prospektpflicht", die immer dann besteht, wenn Wertpapiere oder Veranlagungen einem öffentlichen Publikum angeboten werden. "Das trifft auf Crowdinvesting zu", warnt Heller. "Die Prospektpflicht dient in erster Linie dem Anlegerschutz. Sie soll gewährleisten, dass Anleger sich ein fundiertes Urteil unter anderem über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, Gewinne und Verluste bilden können. Die Erstellung und Genehmigung eines Prospekts ist jedoch eine zeit- und kostenintensive Angelegenheit, die KMU nicht bewältigen können."

In Österreich gilt die Prospektpflicht seit der Novellierung des Kapitalmarktgesetzes ab einer Finanzierungssumme von 250.000 Euro. Zum Vergleich: Der entsprechende EU-Rahmen beträgt fünf Millionen Euro. Die Erstellung und Genehmigung eines Prospektes kostet die Unternehmen meist mehr als 60.000 Euro. Das Wirtschaftsministerium will daher KMU künftig bei der Erstellung eines Kapitalmarktprospektes unterstützen. In einem Pilotprojekt der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) sollen 25 Prozent der förderbaren externen Kosten übernommen werden. Ab April 2014 stehen dafür eine Million Euro zur Verfügung.

Handlungsbedarf in der EU

Das aws, das pro Jahr rund 2700 Start-ups fördert, soll darüber hinaus eine neue Kontaktmarktplattform anbieten, auf der sich Unternehmen für alternative Finanzierungen wie Crowdfunding bewerben können. Derzeit ist das über private Crowdfunding-Plattformen wie 1.000x1.000.at und conda.at möglich.

Mit 1,2 Millionen Euro, die heimische Start-ups 2013 eingesammelt haben, sind die investierten Summen hierzulande noch recht überschaubar. Die globale Dimension ist hingegen nicht mehr zu vernachlässigen. "In Europa verzeichnete Crowdfunding 2012 im Vergleich zum Vorjahr einen Zuwachs von 65 Prozent und erreichte in Summe den Betrag von 735 Millionen Euro", skizziert Waldemar Hummer, emeritierter Professor für Europarecht an der Uni Innsbruck die Dynamik des Schwarms. "2013 flossen bereits mehr als drei Milliarden Dollar über Crowdfunding-Plattformen in alternative Finanzierungskanäle."

Michel Barnier, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, sieht deshalb Handlungsbedarf: "Angesichts der zunehmenden Verbreitung des Crowd-funding und der Unterschiedlichkeit der rechtlichen, finanzpolitischen und sozialen Rahmenbedingungen innerhalb der EU stellt sich die Frage, ob wir nicht einen einheitlichen EU-Rahmen brauchen." Mit einem "Aktionsplan Crowdfunding" will die Kommission schon bald einen Schritt in diese Richtung setzen.

Risiko und Kapital

Ein wesentlicher Knackpunkt bleibt der Anlegerschutz. Denn so willkommen die alternativen Finanzierungsformen auch sind, handelt es sich hierbei doch um Risikokapital, das gegenüber anderen Gläubigern nachrangig behandelt wird und in der Konkursmasse oft keine Bedeckung findet. "Wer in dieser Form in junge Unternehmen investiert, geht dabei bewusst große Risiken ein, setzt dafür aber auf hohe Renditen, die in der Regel mindestens 100 Prozent betragen", gibt Waldemar Hummer zu bedenken. "Für Investoren bleibt Crowdinvesting jedenfalls ein Risikoinvestment und sollte daher nur von Anlegern genutzt werden, die auch einen Totalausfall ihrer Einlage verkraften können."