Als General Manager bei Nespresso veränderte Alexander Schönegger die Kaffeekultur, als Chef von Philip Morris Austria will er den Österreichern nun das Rauchen abgewöhnen. Wer ist dieser Mann?
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Ein Code ist nur so lange gut, bis er gebrochen wird. Vorgefertigte Meinungen, Gewohnheiten, der Ruf eines Unternehmens. Sie sind dazu da, um auf den Kopf gestellt zu werden. Daran hat sich Alexander Schönegger sein Leben lang gehalten, mit diesem Vorsatz machte er Karriere. Als Einwandererkind im aufgeheizt-xenophoben Waldheim-Österreich der 80er Jahre aufgewachsen, wird er Vertreter des umstrittenen Konzerns Nestlé, verkauft Trinkwasser in Lagos, Islamabad und Manila und krempelt als General Manager der Nestlé-Marke Nespresso den Kaffeemarkt um. Seit vergangenem Jahr arbeitet er beim Tabakkonzern Philip Morris, wo er nun das Zeitalter der Filterzigarette beenden will.
"Kalíméra! Pós Eísai?" Schönegger schmunzelt über die griechische Begrüßung. "Ebenso einen guten Morgen. Mir geht es gut, danke", antwortet der Sohn eines Österreichers und einer Griechin. "Ich bin bikulturell aufgewachsen", sagt er. Für manche Menschen sind zwei Welten zu viel, sie zerbrechen daran. Vor allem in einer Zeit, in der Jörg Haider mit fremdenfeindlichen Parolen von Wahlsieg zu Wahlsieg eilt und Kurt Waldheim Österreichs Präsident wird, nachdem er NS-Soldaten pauschal als anständig bezeichnet hatte.
Doch Schönegger lässt sich nicht unterkriegen. "Ich konnte beide Welten vereinen. Das war bereichernd", sagt er. Er wird zum Weltenbürger, nach Matura und Studium in Wien, geht er ins Ausland.
Er studiert International Business an der Erasmusuniversität in Rotterdam. "Es gab kleine Klassen. Die Studenten kamen aus 40 verschiedenen Ländern, jeder brachte seine eigenen Ideen und Visionen ein", erzählt er. Reichtum durch Vielfalt, "das hat mich geprägt."
Billig abgepumptes Grundwasser
Nebenbei verdient er beim Konsumgüterhersteller Unilever sein erstes Geld. Nach der Studienzeit geht Schönegger zu Nestlé nach Frankfurt, dann in die Pariser Konzernzentrale von Nestlé Waters. Er schafft es schnell nach oben, wird beauftragt ein Vertriebsnetz von Grund auf aufzubauen. Vier Jahre lang arbeitet er als Verkäufer von Flaschenwasser in asiatischen und afrikanischen Städten, die in keinem Reiseführer stehen. Das Wasser wird billig aus Quellen abgepumpt, gesäubert und in Flaschen gefüllt.
Schönegger muss das Vertrauen der zahlreichen Händler gewinnen, die ihre Getränke an den vielen staubigen Straßen verkaufen. "Sie verkauften Softdrinks, aber kein Wasser", erzählt er. "Ich fuhr zu den kleinsten Händlern in die hintersten Gassen, um Abnehmer zu finden", erzählt er. "Ich musste sie kennenlernen, bin viel mit ihnen zusammengesessen. Es war ein Abenteuer", sagt er.
Niemand glaubte an Erfolg. "Doch wir machten eine Milliarde Euro Umsatz innerhalb von wenigen Jahren."
Nestlé wird jedoch heftig kritisiert: Ein Konzern, der in bettelarmen Entwicklungsländern Geld mit Grundwasser macht? Selbst in Dürrezeiten würde Wasser aus Quellen abgepumpt werden, die danach austrocknen, lautet einer der Vorwürfe. Zudem würde das Wasser um durchschnittlich einen Euro pro Flasche zu teuer verkauft werden. Schönegger wehrt sich gegen die Anschuldigungen. "In vielen Entwicklungsländern gab es kein sauberes Wasser. Das wollten wir ändern", erklärt er.
Die Vorwürfe schaden seiner Karriere nicht. Nach sechs Jahren bei Nestlé Waters wechselt er 2005 zu Nespresso, ein Jahr vor dem Start der Kampagne mit Schauspieler George Clooney, der die Marke mit einem Schlag weltbekannt macht. Es ist die Zeit, in der Bars und Restaurants für gewöhnlich schal schmeckenden Filterkaffee servieren. Doch dann revolutioniert Nespresso den Kaffeemarkt.
Kein Filter, kein Schmutz
"Wir haben mit allen Codes gebrochen, die üblich waren", sagt Schönegger. Schon die Bedienung der Kaffeemaschine unterscheidet sich komplett. "Kaffeekapsel rein, zumachen, mit Hebel wieder öffnen. Das wars", sagt Schönegger. Kein Filter, der gefüllt werden muss, kein Schmutz danach. Das Unternehmen setzt auf Spitzenkaffees, der nachhaltig angebaut wird. "Durch die Versiegelung der Nespresso-Kapseln bleibt der Geschmack erhalten", erklärt er. "Bei Filterkaffee nimmt das Wasser hingegen den kürzesten Weg und extrahiert nicht alle Aromen."
Auch die Vermarktung von Kaffee als Design- und Lifestyleprodukt ist neu. Schönegger entwickelt das Konzept. Nespresso wird als Luxusgut beworben, der Kaffee wird in der hohen Gastronomie und teuren Hotels, in Boutiquen und in der Businessclass in Flugzeugen serviert. In Hotels werden die Nespresso-Geräte in die Zimmer gestellt, zur Selbstbedienung. "Damals gab es eine große Konkurrenz der Hotelketten im 4- und 5-Sterne-Bereich", erinnert sich Schönegger. "Ich bin daher offene Türen eingerannt, jeder wollte sich anders darstellen als seine Konkurrenten. Da kamen wir gerade recht. Wir sind nicht nachkommen mit der Bearbeitung der Anfragen."
Als das von Heston Blumenthal geführte, damals weltbeste Restaurant "The Fat Duck" seinen Gästen Nespresso auftischte, "da wussten wir, wir haben es geschafft", sagt Schönegger. Mit George Clooney als Werbegesicht wurde die Spitzenposition über Jahre abgesichert.
Der Erfolg von Nespresso veränderte die gesamte Gastroszene. Die Menschen waren auf den Geschmack gekommen. Rund um den Globus sprießen Cafés, die reichhaltige Cappuccino, Latte Macchiato oder einfach nur Espresso anbieten. Der schal schmeckende Filterkaffee war Geschichte.
Wegen der Verpackung des Kaffees in kleinen, bunt leuchtenden Alukapseln verurteilen Klimaschützer Nespresso bald als Umweltsünder. "Die Kritik kann ich nicht nachvollziehen", sagt Schönegger einmal mehr. "Nespresso zahlt 40 Prozent über dem Weltmarktpreis mehr an die Bauern, setzt weniger Schädlingsmittel ein und hat ein Abfallsystem für die Kapseln entwickelt."
"Ich habe immer die Extreme gesucht"
12 Jahre arbeitet Schönegger bei Nespresso, als General Manager für Asien in Singapore, der Benelux-Region in Brüssel und in Japan. "Ich habe immer die Extreme gesucht. Immer wieder neu eintauchen, sich immer wieder neu zurechtfinden. Das war mein Kick", sagt er.
2018 kündigt er bei Nespresso und wechselt zum weltweit größten Tabakkonzern Philip Morris. So wie Nespresso Anfang der Nuller Jahre mit Kaffee will Philip Morris mit einem neuen Produkt den Zigarettenmarkt umkrempeln und seinen Ruf als Unternehmen, das krebsfördernde Zigaretten herstellt, loswerden. "Eine Welt ohne Zigaretten ist eine bessere für alle Menschen. Unser Credo lautet daher: Hör mit den Zigaretten auf oder wechsle zu besseren Alternativen", unterstrich Philip Morris-Chef André Calantzopoulos vor zwei Jahren die neue Konzernstrategie.
Die bessere Alternative heißt Iqos, ein Glimmstängel aus Kunststoff, der ein trockenes Tabakgemisch erhitzt, aber nicht verbrennt. Dadurch enthält der Dampf weniger schädliche Stoffe als eine E-Zigarette oder eine herkömmliche Filterzigarette. Laut Philip Morris atmet der Raucher um 95 Prozent weniger Schadstoffe ein.
"Zum ersten Mal wurde ich in Tokyo auf Iqos aufmerksam, ich arbeitete noch bei Nespresso", erzählt Schönegger. Er fühlte sich sofort zurückversetzt in die Zeit, als er 2005 bei Nespresso anfing. "Ein schönes Gefühl. Ich wollte wieder ein Produkt aufbauen und Teil einer grundsätzlichen Transformation sein, etwas völlig Neues kreieren", sagt er.
Seit vergangenen Sommer ist der Gelegenheitsraucher nun Chef von Philip Morris in Österreich. Nach langen Verhandlungen wird Iqos nun - neben online - auch in Trafiken angeboten. Ob er die österreichischen Raucher überzeugen kann?
"Keine Asche, kein Feuer, kein Geruch, keine gelben Finger", sagt Schönegger und hält den Tabakerhitzer in die Höhe. Es gibt für ihn keinen Zweifel: Er ist drauf und dran, mit dem nächsten Code zu brechen.