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"Der Computer ist ein Preuße"

Von Eva Stanzl

Wissen
Wenn ein Computer Fehler macht , liegt das zumeist am Menschen .
© corbis/Psihoyos

Computer brauchen perfekte Anweisungen. Je schneller sie sich ändern, desto größer die Fehlergefahr.


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Wien. Unterhalten sich zwei Computer über Evolution - sagt der eine: "Ich bin für die Schöpfungslehre. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass wir von so unvollkommenen Wesen wie den Menschen abstammen." Ein Logiker würde zumindest dem zweiten Teil der Pointe zustimmen, denn der Witz zeigt auf, dass Computerfehler in den meisten Fällen auf menschliche Irrtümer zurückzuführen sind. Mit unerwarteten Auswirkungen, von erheiternd bis desaströs.

So legte kürzlich ein Computerfehler die Frankfurter S-Bahn lahm, was der Stadt ein Verkehrschaos bescherte. Und ein niederösterreichischer Bankomat spuckte 100 Mal so viel Geld aus, wie ein Kunde beheben wollte. Schuld ist der Mensch, denn "der Computer macht nur, was ihm aufgetragen wird", sagt Roderick Bloem, Professor für Computerwissenschaften am Institut für Angewandte Informationsverarbeitung der Technischen Universität Graz. Beim bisher größten Logik-Kongress, dem "Summer of Logic" bis 24. Juli in Wien, wird Bloem kommende Woche zum Thema "Die Welt als Zahlenspiel" vortragen.

Einen Computer korrekt anzuweisen ist nicht so leicht, wie man vielleicht annehmen könnte. "Der Programmierer muss genau arbeiten und alle Fälle bedenken", erläutert Bloem im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Zwar könne ein Rechner reibungslos arbeiten, selbst wenn sich ein Irrtum in die logische Formel, auf der sein Programm beruht, eingeschlichen hat. Wenn er jedoch über den Irrtum stolpert, käme das Falsche heraus: Der Computer kann nicht weiterrechnen und stockt.

Für Menschen sind Aufgaben interpretierbar. Etwa gilt im Straßenverkehr: Fahrzeuge, die von rechts kommen, haben Vorrang. Wenn aber vier Autos gleichzeitig zu einer Kreuzung kommen, stehen alle. "Dann muss der Mensch eine österreichische Lösung finden, indem sich die Fahrer einigen, wer als Erster fährt. Beim Computer geht das aber nicht, denn der ist ein Preuße: Er braucht alles mit Punkt und Beistrich", sagt Bloem: Der Programmierer müsse Instruktionen geben, wie mit unerwarteten Situationen umzugehen ist.

Da es für Computer schwierig wäre, menschliche Programmierfehler auszugleichen, wollen Bloem und sein Team den Programmierern Werkzeuge geben, die ihnen ermöglichen, den Computer stets richtig zu programmieren. Die Forscher bauen auf der Basis logischer Formeln Computerprogramme, die Informatikern helfen, weitere Computerprogramme zu schreiben. Sie sollen eine ähnliche Grundlage des Fachs darstellen wie Zeichenprogramme für Brückenbauer, welche nicht nur Optik, sondern auch Positionierung, Belastungsstärke und Statik mit einberechnen und es ermöglichen, die Bauvorgaben perfekt zu erfüllen. "Der Computer denkt logisch: Dinge sind wahr oder nicht. Ein Computerprogramm ist also eine logische Formel. Der Programmierer muss diese entweder entwickeln oder Werkzeuge haben, die diese Logik innehaben", sagt Bloem.

Ein Ziel, das sich verschiebt

Im Gegensatz zum Brückenbau ist die Informatik jung und ihre Werkzeuge sind noch nicht fertig. Zwar hätten Programmiersprachen in den vergangenen 40 Jahren enorme Fortschritte gemacht. "Das Problem ist nur, dass sich die Möglichkeiten der Computerwelt so schnell verändern, dass wir nicht Schritt halten können", warnt der Computerforscher: Es gibt zu wenig perfekte Werkzeuge, um allen neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Die Informatik war vor fünf Jahren eine andere Wissenschaft als heute, und ein Smartphone kann ein Vielfaches von einem Tischcomputer vor 15 Jahren. "Dass alle Geräte ständig reibungslos funktionieren, ist ein Ziel, das sich ständig verschiebt und dem wir hinterherhecheln."

Bald werde man in jede Glühbirne und jede Colaflasche einen Computer einbauen können und dafür Anwendungen finden. Aber man werde sich entweder mit Fehlern abfinden oder die Programmvielfalt einschränken müssen. Und so bleibt die schöne neue Welt entweder unvollkommen oder beschränkt: Computerspiele werden weiterhin abstürzen, weil die Konsequenzen gering sind. Und medizintechnische Geräte werden weiterhin nicht alle Raffinessen der Informatik ausschöpfen, aber sicher laufen. Denn "den perfekten Computer gibt es nicht. Die Vereinigung aller Vorteile ist nicht möglich."