Portugal könnte Hilfe der Eurozone dringend brauchen. | Finnland will Garantien derzeit nicht aufstocken. | Irland hätte gern günstigere Notkredite. | Brüssel. Ende der Woche wollen die Staats- und Regierungschefs ein überzeugendes Signal an die Finanzmärkte senden, dass die Gemeinschaftswährung sicher und die Länder der Eurozone auf Dauer stabilisiert sind. Dazu soll ein umfassendes Gesamtpaket verabschiedet werden, dessen Elemente nach intensiven Verhandlungen über die letzten Wochen bereits weit gehend vereinbart sind. | Berlin will Änderung des Euroschutzschirmes
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Dazu gehören die Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts, ein neuer "Pakt für den Euro", die Schaffung eines dauerhaften Euro-Rettungsschirms und eine begrenzte Änderung des Lissabonner Vertrags. Offene Punkte bleiben die unsichere Lage in Portugal, eventuelle Lockerungen der Bedingungen des Hilfspakets für Irland und die Modalitäten für die Aufstockung des aktuellen Euro-Rettungsschirms "European Financial Stability Facility" (EFSF).
Denn beschlossen haben die Staats- und Regierungschefs der Eurozone bereits, dass der EFSF ihre nominell 440 Milliarden Euro künftig auch tatsächlich zur Verfügung stehen sollen. Bisher kann sie de facto nämlich nur gut 250 Milliarden Euro zu Bestkonditionen am Finanzmarkt besorgen, um Euroländern mit Liquiditätsproblemen unter die Arme zu greifen. Hintergrund ist, dass nur sechs Euroländer über das beste Triple-A-Rating verfügen. Das sind Deutschland, Finnland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Österreich. Weil die anderen elf Euro-Mitglieder eine schlechtere Bonitätseinstufung haben, verlangen die Ratingagenturen für eine Triple-A-Bewertung der EFSF-Anleihen eine Überdeckung und Bargeldpuffer zur Besicherung.
Wahlen im Norden
Und die Euroländer schienen bereits weitgehend einig zu sein, dass die vollen 440 Milliarden Euro über eine Aufstockung der Garantien der Triple-A-Länder freigeschalten werden sollen. Österreich und Deutschland haben mehr oder weniger deutlich die Verdopplung ihrer Haftungssummen von derzeit 12,5 und 122 Milliarden Euro angedeutet. Doch Finnland will oder kann da offenbar noch nicht mit. Denn die finnische Premierministerin Mari Kiviniemi steht kurz vor Parlamentswahlen, ihre Zentrumspartei hat schlechte Umfragewerte. Die rechtspopulistischen "Wahren Finnen" machen Druck gegen die Aufstockung der Rettungsfonds zu Gunsten der ihrer Meinung nach lasch wirtschaftenden Euroländer im Süden. Zwar wird nicht erwartet, dass der EU-Gipfel am Widerstand Finnlands scheitert. Trotzdem gibt es noch Verhandlungsbedarf.
Um diesen Makel des EFSF nicht zu wiederholen, haben die Finanzminister für den dauerhaften Rettungsschirm ab Juli 2013 eine möglichst wasserdichte Konstruktion beschlossen. Der sogenannte "European Stability Mechanism" (ESM) soll von Haus aus einen Rahmen von 700 Milliarden Euro haben, damit 500 Milliarden bei Bedarf auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Dabei handelt es sich um Kapitaleinlagen der Eurozonenländer über 80 Milliarden Euro sowie weitere 620 Milliarden Euro an Kreditlinien und Garantien. Diese Kombination erlaubt es den Ratingagenturen, ESM-Anleihen im Umfang von 500 Milliarden Euro ein Triple-A-Rating zu gewähren. Der ESM kann somit bis zu diesem Betrag zu besonders günstig Mittel auf den Finanzmärkten besorgen, weil seine Papiere so sicher eingestuft sind.
Der Verteilungsschlüssel basiert auf den Kapitalanteilen bei der Europäischen Zentralbank und enthält Korrekturfaktoren zu Gunsten wirtschaftlich noch nicht so starker Euroländer wie die Slowakei, Slowenien und Estland. Österreich muss 2,2 Milliarden Euro in den ESM einzahlen und weitere 17,3 Milliarden Euro an Kreditlinien und Garantien zur Verfügung stellen. In den nationalen Parlamenten sollten die Abstimmung über die EFSF-Aufstockung und die ESM-Ausstattung gemeinsam bis Mai stattfinden, hieß es.
Das aufgebrachte Kapital kann der ESM Euroländern in Bedrängnis mit einem Zinsaufschlag von zwei bis drei Prozentpunkten borgen oder ausnahmsweise auch Anleihen der Wackelkandidaten bei der Erstausgabe kaufen. Voraussetzung für Hilfsaktionen ist stets die Anfrage des betroffenen Eurolandes und ein strenges Spar- und Restrukturierungsprogramm. In die Hilfspakete sollen am Juli 2013 auch private Gläubiger eingebunden werden; im äußersten Fall müssten sie auf Teile ihrer Forderungen verzichten.
Portugal wackelt
Einen Hilferuf an den aktuellen Rettungsschirm EFSF könnte Portugal recht rasch senden. Denn kippt die Opposition bei der Parlamentsabstimmung heute, Mittwoch, die von der Regierung angekündigten zusätzlichen Sparmaßnahmen, schlittert Portugal womöglich an den Rand des finanziellen Abgrunds. Premierminister Jose Socrates und Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos haben für diesen Fall bereits Hilfsbedarf angedeutet. Die Kommission bereitet dem Vernehmen nach bereits Verhandlungen für ein Hilfspaket vor.
Ebenfalls den EU-Gipfel beschäftigen wird wohl Irland, das bisher einzige Land unter dem EFSF-Schirm. Gerne hätte Dublin den Zinssatz von knapp sechs Prozent über 7,5 Jahre für seine milliardenschweren Notkredite um einen Prozentpunkt verringert. Länder wie Österreich und Deutschland warten noch auf eine überzeugende Gegenleistung der Iren. Griechenland hatte zuletzt im Gegenzug für ein 50-Milliarden-Euro-Privatisierungpaket Zinsreduktion und Fristerstreckung erhalten. Es wurde bereits vor EFSF-Zeiten über zwischenstaatliche Kredite der Euroländer aufgefangen.
Wissen: Euro-Rettung:
Worauf sich die Länder noch geeinigt haben - Koordinierte Wirtschaftspolitik soll künftige Krisen verhindern
Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes: Schon bisher schreibt der Pakt den Euroländern vor, das jährliche Defizit auf 3 und die Gesamtverschuldung auf 60 Prozent des BIP zu begrenzen. Strafen wurden aber noch nie verhängt. Anders als bisher könnte es künftig auch Strafverfahren geben, wenn das Defizit unter 3, die Schulden aber zu weit über 60 Prozent liegen. Die Differenz der Verschuldung zu den 60 Prozent müsste jährlich um 5 Prozent zurückgefahren werden. Milliardenschwere Sanktionen soll es früher und konsequenter geben. Schon bei der Eröffnung des Verfahrens müsste ein Betrag in Höhe von 0,2 Prozent des BIP hinterlegt werden, der bei fortwährenden Verstößen verfallen kann. Für Österreich wären das 580 Millionen Euro. Volkswirtschaftliche Ungleichwichte sollen von der Kommission früh erkannt und bei Fortbestehen sanktioniert werden. Eine Einigung mit dem EU-Parlament ist bis Juni geplant.
"Pakt für den Euro": Unter dem Arbeitstitel "Wettbewerbspakt" von Deutschland als Bedingung für verstärktes finanzielles Engagement bei den Euro-Rettungsschirmen ins Spiel gebracht. Ziel ist eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone und anderer EU-Länder, die mitmachen wollen. Ursprünglich verpflichtende Vorgaben für Angleichungen der Lohn-, Sozial- und Steuerpolitik wurden zu einer Auswahl an Optionen heruntergestuft - etwa die Angleichung des Pensionsalters an die Lebenserwartung oder eine Schuldenbremse in der Verfassung. Die Staats- und Regierungschefs machen sich jährlich politisch verbindliche Ziele aus, die sie am Ende selbst überprüfen. Jedes Land kann sich aussuchen, wie es zum Ziel gelangt. Die Kommission hilft bei der Überwachung. Zumindest Dänemark, Lettland und wahrscheinlich Polen wollen dabeisein.
EU-Vertragsänderung: Damit Deutschland den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM ab Juli 2013 finanziell unterstützen kann, ohne Probleme mit dem Verfassungsgerichtshof in Karlruhe zu bekommen, muss der Lissabonner Vertrag geändert werden. Es handelt sich um eine "begrenzte" Änderung mit vereinfachtem Verfahren, damit keine Referenden nötig werden. Konkret werden die folgenden zwei Sätze in den Artikel 136 eingefügt, der Sonderbestimmungen über die Eurozone enthält: "Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen."
Europäisches Semester: Das neue Instrument ist bereits rechtsgültig und schreibt den Staaten vor, ihre Haushalts- und Wirtschaftspläne für das jeweils folgende Jahr sowie mehrjährige Konsolidierungspläne vorzulegen. Die Kommission, die Finanzminister und die Staats- und Regierungschefs beurteilen, ob die Planungen den Herausforderungen und Zielen entsprechen. Ist dem nicht so, muss sich das betroffene EU-Land Empfehlungen für Verbesserungen geben lassen. Am Ende entscheidet das nationale Parlament über die Haushalte, ist dabei jedoch angehalten, EU-Ratschläge zu berücksichtigen. Veröffentlicht wird die erste Runde der Budget- und Reformpläne für 2012 im April.