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In Polen erscheint die weltweit einzige Zeitschrift für Exorzismus.
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Warschau. Seit diesem Herbst ist Polens Presselandschaft um einen Titel reicher. "Exorzist" heißt die weltweit erste und auch einzige Fachzeitschrift für Teufelsaustreibung. Auf 64 Seiten bietet das monatlich erscheinende Heft alles, was vom Teufel Besessene und ihre Befreier brauchen. Die Auflage beträgt beachtliche 15.000 Stück.
"Ein sehr sorgfältig und verantwortungsbewusst gestaltetes Produkt, auf höchstem inhaltlichem Niveau. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen", lobt der führende polnische Dämonologe und Inhaber einer Habilitation an der Katholischen Universität Lublin, Jesuitenpater Aleksander Posacki. Der "Exorzist" sei eine Plattform, die die Worte von Johannes Paul II. über den Kampf zwischen Gut und Böse ernst nimmt, sagt der katholische Publizist Grzegorz Gorny, der im Programmbeirat der Zeitschrift sitzt. Und der Chefexorzist der Erzdiözese Warschau, Pater Andrzej Grefkowicz, ruft die Gläubigen auf, der gelungenen Zeitschrift zu helfen: "Jeder, der die Versklavung durch das Böse erlebt hat, ist eingeladen, seine Erlebnisse mit uns zu teilen."
An Freiwilligen mangelt es nicht. Schon jetzt ist die Zeitschrift gut gefüllt: Da berichtet ein polnischer Exorzist über eine Teufelsaustreibung in Italien, bei der die betroffene Frau Polnisch sprach, obwohl sie gar nicht Polnisch konnte. Da erzählt eine junge Frau über das Unglück, das über sie hereingebrochen ist, als sie sich vom Satan verführen hat lassen. Und da werden die Erlebnisse eines amerikanischen Exorzisten geschildert und mit dem dramatischen Untertitel versehen: "Aug in Aug mit einer unsichtbaren, fürchterlichen und doch realen Wirklichkeit." Es wird aber auch auf "Dämonen des Mittags" eingegangen, die Menschen in der Midlife-Crisis heimsuchen.
Dabei schrecken die Redakteure des "Exorzisten" auch nicht vor Anleihen beim Boulevard zurück: "Wahre Geschichte" steht über vielen Texten. Abgerundet wird die erste Nummer mit einem Interview, in dem Chefexorzist Grefkowicz, die Parole ausgibt: "Mit Dämonen diskutiert man nicht" und dann erklärt: "Mich interessiert nicht, wie der Dämon heißt, der jemanden heimsucht, mir geht es um die Person des Heimgesuchten." Sonst ist Grefkowicz aber bemüht, Exorzismus als unspektakulären, seelsorgerischen Dienst an Menschen zu definieren, die nicht im Einklang mit dem Gewissen leben können.
Dass der "Exorzist" ausgerechnet im hochkatholischen Polen das Licht der Welt erblickt hat, ist kein Zufall. Seit der Wende 1989 sind große Teile des polnischen Klerus, einst mitbestimmend für den Widerstand gegen das kommunistische System, immer stärker in einen obskuren Fundamentalismus abgedriftet. Der Säkularisierung des täglichen Lebens begegnen sie mit Abschottung und dem Hinweis auf das Wirken des Fürsten der Finsternis.
15.000 Exorzismen pro Jahr
Nirgendwo erfreuen sich exorzistische Praktiken derart regen Zulaufs und derart heftiger Unterstützung durch die Kirchenleitung wie in der Heimat von Johannes Paul II. Während Exorzismus-Praktiken in den meisten westlichen Ländern den Rand des kirchlichen Lebens bilden und eher verschämt verschwiegen werden, erleben sie in Polen einen unglaublichen Boom. 15.000 Exorzismen pro Jahr führen Polens Priester durch. Schätzungen für Deutschland liegen bei 700.
Dementsprechend rasant entwickelt sich auch die Zahl der kirchlich approbierten Exorzisten. Gezählte vier davon gab es Anfang der neunziger Jahre, inzwischen ist ihre Zahl auf 150 explodiert. Anders als in Österreich, wo manche Diözesen die Namen der kirchlichen Exorzisten streng geheim halten, haben in Polen manche Exorzisten fast Star-Status.
In der Kindlein-Jesu-Kirche in Warschau zelebriert jeden ersten Donnerstag im Monat Prälat Jan Szymborski die Messe. Er ist eine Legende unter den Teufelaustreibern und inzwischen neunzigjährig und im Rollstuhl. Er soll eine ganze Lade mit Nägeln haben, die Menschen während seines Exorzismus gespuckt haben.
Dass in Polen Menschen in Not die Dienste von Exorzisten in Anspruch nehmen, mag auch daran liegen, dass es eine massive Unterversorgung mit Psychiatern und Psychotherapeuten sowie lange Wartezeiten gibt. Da ist der Exorzist oft schneller. Und moderner. Pater Jan vom Marianer-Orden exorziert etwa per Skype. Errungenschaften solcher Art weiß auch der "Exorzist" zu würdigen. Und er will sie bald auch über die Grenzen Polens bekannt machen und führt derzeit Gespräche über Auslandsausgaben.