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Der demokratischste Job von allen

Von Walter Hämmerle

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Wer taugt eigentlich zum Politiker? In Österreich eigentlich fast jeder - allerdings eben doch nur fast.


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Österreichs hat die bemerkenswerte Angewohnheit, sich alle paar Monate über die seltsamsten Fragen den Kopf zu zerbrechen. Zum Jahresausklang hat es nun die Frage "Was macht einen guten Politiker aus?" auf die Tagesordnung geschafft.

Das Schaurig-Schöne am Politikerberuf ist ja, dass es fast niemanden gibt, dem man von vornherein jede Eignung zu diesem ganz besonderen Metier absprechen kann. Und schon gar nicht den Egomanen mit Charakterdefiziten und ausgeprägtem Hang zu juristischen Gratwanderungen, um es klagstechnisch wasserdicht zu formulieren. Die offizielle Geschichte der Republik ist, genauso wie der dazugehörige pralle Anekdotenband, gut bestückt mit illustren Beispielen. Ja, es gab sogar Politiker, die ausgerechnet damit am stärksten punkten konnten, dass sie so gar nicht wie ein Politiker wirkten. Und das bei Kollegen wie Wählern.

Die besonderen Geschäftsumstände des Politischen machen das Metier sogar zur wahrscheinlich einzigen Branche, in der Scheitern möglich ist, einfach nur, weil man "zu intelligent" ist und unvorsichtig genug, das auch allen zu zeigen. So jedenfalls will es der Mythos rund um den Vorvorvorvorvorgänger des jetzigen ÖVP-Obmanns.

Ein späterer Kanzler von der anderen Reichshälfte hat sich, vor etwas mehr als zehn Jahre, dann trotzdem nicht davon abhalten lassen, den gleichen Fehler exakt noch einmal zu begehen. Mittlerweile scheinen es aber alle verstanden zu haben.

Brav muss er also nicht unbedingt sein, ein Politiker, aber auf keinen Fall zu intelligent. Schön ist natürlich immer gut, obwohl ja manche glauben, dass ihnen übel mitgespielt wird, nur weil "zu schön" sind. Aber das halten viele dann doch für ein Gerücht. Zu jung ist spätestens seit der hartnäckigen Erfolgswelle kein Hinderungsgrund mehr, auf der Sebastian Kurz surft.

Reich sein ist natürlich immer gut, für Politiker allerdings auch nicht ungefährlich. Für den Vorwurf, zu blöd zu sein, ernten Widersacher im Hohen Haus mit großer Wahrscheinlichkeit einen Ordnungsruf. Für "Sie Millionär, Sie" eher nicht. Dabei kann man über Politiker kaum Schlimmeres behaupten.

Man kann sich aber natürlich auch streng wissenschaftlich der Frage nähern, was einen guten Politiker ausmacht. Zwei Wege führen zu diesem Ziel: Man schlussfolgert entweder vom abstrakten Ideal auf konkrete Personen (Deduktion) oder schließt von leibhaftigen Personen auf das normativ Wünschenswerte (Induktion). Je nachdem fallen die Ergebnisse höchst unterschiedlich aus. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass die Politiker zur Spezies der überzeugten Induktionisten gehören, das Urteil über die real existierenden Politiker fällt wohlwollender aus, wenn man sich auf das beschränkt, was ist, und nicht das miteinbezieht, was sein könnte. Schließlich muss die zeitlose Devise "weil der Mensch zählt" auch für den Eigengebrauch gelten.

Davon abgesehen, bleibt als konkretes Ergebnis der Debatte die Einsicht, dass der direkte Vergleich von Lebensläufen auch nicht wirklich weiterhilft. Quasi innerparteilich haben das im Hinblick auf den Kanzlerjob diejenigen von Doris Bures, Werner Faymann und Christian Kern durchaus abschließend belegt. Man kommt mit dieser komparativen Methode aber auch ansonsten nicht vom Fleck.