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Zwischen Desaster und kollektiver Hysterie.
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Was ist das für ein Verein, wo man einen zum Chef macht, nur um ihm dann dauernd in den Rücken zu fallen? Was ist das für eine Partei, wo man einen integeren Vorsitzenden permanent desavouiert und kränkt? Wenn Sebastian Kurz noch am Dienstag gesagt hat, "im derzeitigen Zustand" wolle er die Partei nicht übernehmen, dann hat er zwar recht, dass "derzeitig" mit "desolat" gleichzusetzen ist. Zugleich aber hat er in dieser Ohrfeige, die das für Reinhold Mitterlehner war, seinen Anteil an diesem desaströsen "derzeitigen" Zustand unterschlagen.
Mitterlehner hat viele Probleme gehabt - auch mit dem Koalitionspartner. Er hat viel einstecken müssen - auch medial. Aber niemand hat ihn so gekränkt, niemand hat ihn so düpiert wie seine "eigenen Leute". Mitterlehner ist an der ÖVP gescheitert. Genauer gesagt an jener Quertreiber-Gruppe, die schon seit längerem ihr Unwesen treibt. Die Kurzens, Sobotkas und Lopatkas, die seit Monaten das Spiel spielen: Wir gehören der Regierung an, sabotieren diese aber zugleich. Nicht zufällig sagte Mitterlehner in seiner Abschiedsrede: Man kann nicht gleichzeitig Regierung und Opposition sein.
Eines aber war die Auseinandersetzung Mitterlehners mit den Quertreibern nicht - ein politischer Flügelkampf im Sinne von inhaltlichen Differenzen, von ideologischen Unterschieden. Es war einfach ein schäbiger, intriganter Machtkampf. Aber dennoch sind hier - aufgrund der handelnden Personen - zwei Konzepte von Politik aufeinandergeprallt.
Auf der einen - Mitterlehners - Seite die klassische Bürokratenherrschaft. Da geht es um Sachlichkeit, um Pragmatik, um rationales Handeln. Die aber, die - man kann nicht sagen: "gegen ihn angetreten sind", weil sie eben nicht antreten, sondern aus dem Hinterhalt zutreten - Quertreiber also, sind eine Gruppe unkontrollierter, selbstgesteuerter Ich-AGs. Der quertreibenste dieser Quertreiber aber, Sebastian Kurz, repräsentiert auch den Gegentypus zum honorigen, bürokratischen Amtsträger: Er versucht sich und gefällt sich als charismatischer Typus.
Der charismatische Typus ist einer, der herausragende persönliche Qualitäten hat - zumindest werden ihm solche zugesprochen. Und daran mangelt es in der ÖVP nicht. An solchen Zuschreibungen. Kurz sei unser Star, kann man da hören, ein herausragendes, ein außerordentliches, ein Ausnahme-, ja gar ein Jahrhunderttalent. Von außen wirkt das wie eine sich wechselseitig verstärkende kollektive Hysterie. Dem Publikum haben sich diese herausragenden Talente des Außenministers noch nicht erschlossen. Ein Jahrhunderttalent? Was Kurz aber wirklich kann, ist den Eindruck erwecken, er könne etwas. Sein besonderes Talent liegt darin, den Glauben zu erzeugen, er sei ein solches Ausnahmetalent. Ein exklusiver Glaube. Er ist nur ÖVP-Mitgliedern zugänglich.
Genau dadurch aber ist Kurz der "Todfeindin" aller Politiker hoffnungslos erlegen: der maßlosen Eitelkeit. Jener ohne jegliche Distanz sich selbst gegenüber. "Diese Sünde gegen den Heiligen Geist seines Berufs aber beginnt da, wo dieses Machtstreben unsachlich und ein Gegenstand rein persönlicher Selbstberauschung wird". Schreibt Max Weber. Als hätte er Kurz gekannt.