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Der deutsche Kreditkarten-GAU

Von WZ-Korrespondent Ulrich Glauber

Wirtschaft
Bis jetzt liegen laut Visa und Mastercard noch keine größeren Schadensmeldungen vor. Die beiden Karteninstitute haben trotzdem zu der Rückrufaktion geraten. Foto: ap

100.000 Karten werden nach einem Datendiebstahl zurückgerufen. | "Eine reine Vorsichtsmaßnahme". | Frankfurt. Es ist eine Rückrufaktion, die alles bisher im deutschen Bankwesen Gekannte in den Schatten stellt. Wegen des Verdachts des Datenmissbrauchs werden derzeit auf Anraten von Visa und Mastercard 100.000 Kreditkarten von den Bankinstituten eingezogen und durch Neue ersetzt. Ausgelöst wurde die größte Umtauschaktion von Kreditkarten in Deutschland durch den Datendiebstahl bei einem spanischen Zahlungsabwickler. Betroffen dürften davon fast ausschließlich Spanienurlauber gewesen sein.


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"Die Austauschaktion betrifft alle Banken in Deutschland gleichermaßen", sagte ein Sprecher des Zentralen Kreditausschusses (ZKA), der Dachorganisation der Banken, am Mittwoch. Er sprach von einer reinen Vorsorgemaßnahme. Bislang seien noch keine größeren Schadensmeldungen bekannt.

Der Banken-Experte vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, Frank-Christian Pauli, geht dagegen von einer "relevanten Gefahr" aus, wenn Unternehmen in diesem Maße aktiv werden. Wie groß das Problem allerdings tatsächlich sei, wisse auch er nicht. Unklar blieb am Mittwoch, ob Hacker in den Computer des Dienstleisters eingedrungen waren oder Mitarbeiter des Unternehmens die Kartendaten entwendet hatten.

Kunden angeschrieben

Die betroffenen Kunden werden derzeit angeschrieben und können sich ihre neue Karte in einer Filiale abholen. Bis dahin sollen die meisten Karten gültig bleiben. Bei einem Missbrauch der Daten entsteht den Inhabern laut ZKA kein Schaden, da sie ein Widerrufsrecht bei allen Abbuchungen haben. "Alle Kunden sollten daher ihre Abrechnungen genau prüfen", riet der Sprecher des Bankendachverbandes.

Allein die Volks- und Raiffeisenbanken haben laut Steffen Steudel, Sprecher der Dachorganisation BVR, rund 60.000 Karten aus dem Verkehr gezogen. Insgesamt hat die Gruppe mit Schwerpunkt im Privatkundengeschäft knapp ein Zehntel der rund 25 Millionen Karten ausgegeben, die derzeit als "Plastikgeld" in Deutschland im Umlauf sind. Aber auch mehrere andere Anbieter haben bereits mit dem Sperren von Karten begonnen. Darunter waren die Karstadt-Quelle-Bank, die Deutschland-Tochter von Barclaycard und die Lufthansa bei ihren Miles&More-Karten mit Bezahlfunktion.

Bisher ist der wahre Umfang der Folgen des Datenlecks allerdings schwer abzuschätzen. Einerseits müssen sich bei weitem nicht alle Deutschen Sorgen machen, die im vergangenen Sommer oder Herbst nach Spanien gereist sind. Visa und Mastercard haben den Banken die Daten der konkret gefährdeten Kreditkartenkonten übermittelt. Andererseits könnten auch Kunden betroffen sein, die gar nicht in Spanien waren. Laut der "Financial Times Deutschland" wäre das der Fall, wenn der Handelspartner des deutschen Geschäftes seinen Zahlungsverkehr über den Dienstleister in Spanien abgewickelt hat.

Die Panne sorgt aber nicht nur in der Bundesrepublik für Aufsehen. Auch in Österreich, Schweden und Finnland läuft eine Umtauschaktion der Banken. In Österreich sind laut einem Sprecher von Card Complete nur "wenige Karten" betroffen. Genauere Zahlen lägen dem Unternehmen, das sowohl Mastercard wie auch Visa betreut, aber noch nicht vor. Bei Verdachtsmomenten würden die Kunden, für die im Betrugsfall kein finanzielles Risiko besteht, aber sofort kontaktiert.