Zum Hauptinhalt springen

Der deutsche Papst stärkte seine Brüder und ernüchterte die Reformer

Von Heiner Boberski

Analysen

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Der christliche Glaube ist für den Menschen allezeit - und nicht erst in der unsrigen - ein Skandal." Mit dieser Aussage vor engagierten Katholiken in Freiburg, der letzten Station seiner Deutschlandreise, bewies Papst Benedikt XVI., dass ihm bewusst ist, welche Zumutung es für Menschen war und ist, die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens - Menschwerdung, Kreuzestod und Auferstehung eines ewigen Gottes - ernst zu nehmen.

Doch um genau diese Botschaft ging es dem Gast aus Rom, wie er auch in der Messe in Freiburg gegenüber 100.000 Gläubigen betonte: "Die Erneuerung der Kirche kann letztlich nur durch die Bereitschaft zur Umkehr und durch einen erneuerten Glauben kommen." Zu allen Reformwünschen ging der Papst in seinen Ansprachen auf Distanz und zitierte lieber die Antwort von Mutter Teresa auf die Frage, was sich als Erstes in der Kirche ändern müsse: "Sie und ich!"

Gemäß dieser Sichtweise sind auch an kirchlichen Skandalen wie den Missbrauchsfällen (ein Treffen mit Missbrauchsopfern gehört jetzt schon zu jeder Papstreise) die einzelnen "schlechten Fische" schuld. Man muss deshalb nicht gleich den Teich verändern, in dem sie schwimmen.

Wozu Jesus in der Bibel Petrus aufforderte, "Stärke deine Brüder!", das war auch dem deutschen Petrus-Nachfolger in seiner Heimat das wichtigste Anliegen. Neben der Ermutigung der Katholiken, die in der Diaspora im östlichen Deutschland besonders dankbar angenommen wurde, gab es anerkennende Worte für den Islam ("Merkmal dieses Landes") und die Orthodoxie (sie stehe Rom "theologisch am nächsten") sowie eine viel beachtete Begegnung mit Vertretern der evangelischen Kirche, aber ohne "ökumenisches Gastgeschenk" und ohne jegliche theologische Annäherung.

Für weitere Diskussionen wird noch das Freiburger Plädoyer des Papstes für eine "Entweltlichung der Kirche" sorgen, könnte man doch darunter auch den Verzicht auf Kirchensteuer oder Religionsunterricht in öffentlichen Schulen verstehen. "Das heißt natürlich nicht, sich aus der Welt zurückzuziehen, sondern das Gegenteil", ergänzte der Papst, der bekanntlich selbst am ersten Reisetag als weltlicher Staatschef im Deutschen Bundestag aufgetreten war, die Vertreter der Politik zur moralischen Verantwortung aufgerufen und sich für Frieden, Gerechtigkeit und Ökologie eingesetzt hatte.

Bei prachtvollem Wetter erlebte Deutschland gut besuchte Feste des Glaubens mit einem bewundernswert sein anstrengendes Programm absolvierenden, zur Rom-Treue mahnenden 84-jährigen Pontifex. Die Welt hat sich durch diese römisch-katholischen Events kaum verändert: Wer dem Papst bisher zugejubelt hat, wird es weiter tun, wer sich Reformschritte der Kirche erhofft, weiß nun noch besser, dass er darauf zumindest noch bis zum nächsten Pontifikat warten muss.