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Der deutsche Wahlkampf reicht bis nach Brüssel

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Deutschlands Bundeskanzler, SPD-Chef Gerhard Schröder, wird heute in Brüssel von Mitgliedern der Europäischen Kommission sowie Präsident Romano Prodi empfangen.


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"Die Deutschen kommen", schrieb die Nachrichtenagentur Reuters. Mit einem Tross von Fachministern im Gefolge wird Kanzler Schröder mit Kommissionsvertretern Gespräche führen zu Industrie- und zu Haushaltspolitik, zu Auto-Vertrieb und Regionalhilfen für Ostdeutschland. "Wenn Deutschland seine Interessen so martialisch vertritt, hat das negative Auswirkungen auf Europa", unkte Schröders Gegenkandidat bei den Bundestagswahlen, Edmund Stoiber (CSU), als er vergangene Woche seinerseits in Brüssel vorstellig wurde und der EU seinen "Antrittsbesuch" abstattete. Deutschland müsse besonders auf ein "hervorragendes Verhältnis" zu den kleineren Mitgliedstaaten achten, so Stoiber. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass es engere Absprachen zwischen den "Großen" gebe.

Der Regierungschef setzt auf eine andere Strategie. Die exklusiven Treffen zwischen Deutschland und der EU-Kommission hat Schröder - zum Missfallen seiner EU-Partner - Kommissionspräsident Prodi beim Europäischen Rat von Barcelona im März abgerungen; auch vor den nächsten Gipfeln sollen Sondergipfel zwischen Brüssel und Berlin stattfinden. Der Grund sind Differenzen über die politischen Vorgaben der EU: Gegen die geplante Liberalisierung des Autohandels machte vor allem die deutsche Autoindustrie mobil, mit der Schröder eng verbunden ist. Im Februar eskalierte der Streit des größten Mitgliedslandes mit der EU auf Grund des deutschen Haushaltsdefizits; den berühmt berüchtigten "blauen" Mahnbrief aus Brüssel konnte Berlin letztlich abwenden.

Deutschland hat erst vergangene Woche von der EU eine Zusage für Subventionen der Kohleindustrie bis 2010 erhalten. Die Kommission hatte ein Ende der Subventionen 2007 vorgeschlagen. Das Kohle produzierende Ruhrgebiet ist ein traditionelles SPD-Wählergebiet.