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Der ORF gehört von Grund auf neu aufgestellt und verschlankt.
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Eine Neos-Abgeordnete verlangte jüngst, dem ORF den Betrieb seiner Nachrichtenseite ORF.at, die seit Jahrzehnten in schlichtem Blau die wichtigsten Nachrichten aus allen Ressorts bringt, zu untersagen. Damit, so die Politikerin sinngemäß, hätten kommerzielle Medien Chancen auf höhere Reichweiten und höhere Erträge.
Mag sein. Ich glaube allerdings nicht, dass es eine gute Idee ist, dem ORF ausgerechnet diesen Kommunikationskanal wegzunehmen. Denn wenn es überhaupt irgendeine Daseinsberechtigung für den ORF als öffentlich-rechtliche Institution gibt, dann ist es ja wohl die, der Bevölkerung eine Art einfacher und kostenloser Info-Grundversorgung mit einem gewissen Objektivitätsanspruch bereitzustellen, auch als eine Art Gegengewicht zu Fake-News-Schleudern aller Art. (Dass ORF.at gelegentlich von einer gewissen gedanklichen Schlichtheit und sprachlichen Anspruchslosigkeit ist, könnte man ja auch ändern.)
Das Problem des ORF und vor allem all jener, die ihn aufgrund seines gesetzlichen Anspruches auf Gebühren finanzieren müssen, egal ob sie seine Programme konsumieren oder nicht, wird wohl nicht die "Blaue Seite" sein, sondern der Umstand, dass dieses Finanzierungsmodell einfach völlig aus der Zeit gefallen ist, ein Relikt aus den 1960ern, als der Staat den Brotpreis bestimmte, die Post gnadenhalber Vierteltelefone vergab und die Sozialpartner das Land regierten.
Nicht zufällig ist sowohl in Deutschland - ausgelöst von der jüngsten Raffzahn-Affären um die ARD - als auch in der Schweiz mit ihren vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Medienkonzernen eine Grundsatzdiskussion über die Tauglichkeit dieses Rundfunkmodells für das 21. Jahrhundert entbrannt, die nicht so schnell entschieden wird, aber auch nicht mehr in die Tube zurückgedrückt werden kann. Ganz im Gegenteil: Angesichts der massiven Verluste an Kaufkraft, die auf die Bevölkerung zukommen, wird sich die Frage noch dringlicher stellen, wie legitim der Anspruch der Öffentlich-Rechtlichen auf die Zwangsgebühren noch ist.
Und es wird, nicht zum ersten Mal, in dieser Debatte die Frage auftauchen, ob die "Helene-Fischer-Show" wirklich zu den Aufgaben einer auf immer mehr Kanäle aufgeblähten Anstalt gehört - oder ob nicht das Gebot der Stunde eine Reduktion auf den öffentlich-rechtlichen Kern wäre. Also ein TV-Kanal, eine Radiostation, die "Blaue Seite" im Internet, alles streng auf Information gebürstet - und das ist es dann auch schon. Zu Kosten, die einen winzigen Bruchteil der heutigen ausmachen und die Menschen entsprechend entlasten, was dringlicher denn je notwendig wäre.
Sollte das ORF-Management davon überzeugt sein, mit den privaten Wettbewerbern auch auf anderen Gebieten als der Information konkurrieren zu wollen, dann bitte nach den gleichen Regeln, also Finanzierung aus Werbung plus Abo-Erlösen à la Netflix oder Amazon Prime.
Die ORF-Führung erweckt nicht den Eindruck, dieses Problem selbstbewusst angehen zu wollen, sondern verlässt sich lieber auf die grundsätzliche Veränderungsresistenz in diesem Lande. Das kann eine erfolgversprechende Strategie für den Sender und seine Mitarbeiter sein, für das Land ist sie es eher nicht.