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Der dritte Lockdown wirkt zu wenig

Von Martina Madner

Politik

Der Grenzwert 50 bei der Sieben-Tages-Inzidenz scheint in vielen Regionen unerreichbar, auch die Mobilität ist im Westen kaum zurückgegangen. Ein "Lockdown Light" würde erst bei 40 Prozent Geimpften die Infektionen senken.


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Genau einen Monat lang ist Österreich im dritten Lockdown. Der tägliche Blick auf Infektionszahlen und Sieben-Tages-Inzidenz zeigt allerdings, dass dieser zu wenig wirkt. Österreichweit gab es 1.009 Neuinfektionen in den vergangenen 24 Stunden. Der Durchschnitt der vergangenen sieben Tage an Neuinfizierten pro 100.000 Menschen liegt laut Ages-Dashboard bei 117. Bei der Verlängerung des Lockdowns Mitte Jänner hatten sowohl Experten als auch Regierung den Grenzwert 50, den es zu unterschreiten gilt, als Ziel genannt. Salzburg mit 218 und Vorarlberg mit 185 liegen im Moment noch weiter entfernt als alle anderen Bundesländer, der Bezirk Tamsweg in Salzburg mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von 523 sowieso.

Selbst mit der FFP2-Maskenpflicht ist ein rascheres Absinken nicht zwingend. Der Blick auf die Straßen zeigt, dass diese im dritten Lockdown nicht mehr wie im März menschenleer sind. Das bestätigt die Analyse der Mobilitätsdaten von Peter Klimek, Komplexitätsforscher am Complexity Science Hub Vienna und Georg Heiler von der TU Wien. "Wir sehen einen deutlichen Abnützungseffekt von Lockdown zu Lockdown - und mit jedem Tag im Lockdown mehr", sagt Klimek im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Während des ersten im März zeigten die Mobilfunk-Daten einen reduzierten Bewegungsradius um 57 bis 80 Prozent, im zweiten zwischen 33 und 50, im nunmehrigen dritten Lockdown aber nur noch zwischen 12 Prozent und 42 Prozent.

Mehr Mobilität bedeutet nicht unbedingt mehr Infektionen

Es gibt große Unterschiede zwischen den Bundesländern: Während die Menschen in den östlichen Bundesländern - im Burgenland 42 Prozent, in Niederösterreich 37 Prozent und in Wien 35 Prozent - ihre Mobilität gegenüber der Zeit vor dem Lockdown deutlicher reduzierten, ist die Situation im Westen Österreichs deutlich anders. Die Salzburger sind zu 88 Prozent so wie vor dem Lockdown unterwegs, ebenso die Tiroler; die Mobilität der Vorarlberger liegt bei 77 Prozent. Da es nicht nur Wien alleine betrifft, wo die Infrastruktur dichter und damit der Weg zum Supermarkt oft weniger weit ist, sondern auch Burgenländer und Niederösterreicher weniger unterwegs sind, sagt Klimek: "Es handelt sich nicht nur um einen Großstadteffekt."

Wobei der Komplexitätsforscher zu Vorsicht mahnt, was den Zusammenhang von mehr Mobilität und höherem Infektionsgeschehen im Westen anbelangt. Eine Bewegungsreduktion ist nicht gleichzusetzen mit einer Reduktion der Kontakte zu anderen Menschen. "Ob jemand alleine in den Wald für den Spaziergang fährt oder andere Personen trifft, sehen wir nicht." Auch die Beweggründe dafür, vermehrt das Haus zu verlassen, dürften unterschiedlich sein. Nicht alle verlassen ihre eigenen vier Wände aus Jux und Tollerei, sondern weil sie psychisch belastet sind, oder aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Um die Wirkung von Lockdowns nicht gänzlich zu verlieren, rät Klimek folglich nicht zu mehr Kontrollen, "sondern dazu, "Kontakte sicherer zu gestalten" - also etwa neben FFP2-Masken das Testen nochmals etwa mit Wohnzimmertests zu verstärken und auf sensitivere Tests zu setzen.

Lockdown-Light erst bei 40 Prozent Durchimpfungsrate

Die Ergebnisse einer Modellrechnung einer Arbeitsgruppe an der Universität Salzburg rund um den Informatiker Robert Elsässer lässt die Hoffnung auf ein baldiges Wiederöffnen ebenfalls sinken. Das Team konzentrierte sich auf die Übertragung von Viren in geschlossenen Räumen, konkret an Schulen, am Arbeitsplatz und in den Familien und hat unterschiedliche Szenarien mit verschiedenen Schul-Teilöffnungen simuliert, Homeoffice in unterschiedlicher Ausprägung und der Übertragungswahrscheinlichkeit zuhause oder bei Kindern unter 14 Jahren berechnet.

Bei den optimistischen Szenarien in der Arbeitswelt etwa gingen die Forscher davon aus, dass in den Büros die Infektion lediglich über Aerosole weitergegeben wird, eine Infektion über Tröpfchen, die aber mithilfe geeigneter Maßnahmen wie Trennglas zwischen den Arbeitsplätzen und Masken unterbunden wird. Das ernüchternde Ergebnis: "Selbst bei Best-Case-Annahmen kann ein weicher Lockdown die Ausbreitungswelle nicht brechen - der Prozess wird lediglich verlangsamt", sagt Elsässer.

Die Simulationen hätten zudem eindeutig gezeigt, dass ein "weicher" Lockdown die Infektionswelle erst brechen kann, wenn in etwa 40 Prozent geimpft sind. Die Videokonferenz der Bundesregierung mit den Landeshauptleuten zur aktuellen Corona-Situation ist unterdessen am Montagabend wie erwartet ohne Entscheidungen zu Ende gegangen. Vereinbart wurde, dass es nächste Woche wieder ein physisches Treffen geben soll, bei dem die Situation neu bewertet wird.