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Der dritte Weg des Energiemarkts

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Endspurt für die Liberalisierung des Energiemarkts. | Niederlande sind noch unzufrieden. | EU-Parlament ist jetzt am Zug. | Brüssel/Luxemburg. Bereits im Juni schien die zwangsweise Zerschlagung der Energiekonzerne in der EU abgewendet. Damals hatten sich die zuständigen Minister grundsätzlich darauf geeinigt, dass der Wettbewerb auch dann gewährleistet sei, wenn einige Mitgliedsstaaten eine weniger radikale Alternative der Trennung von Energieproduktion und -handel einerseits sowie Netzbetrieb andererseits wählten.


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Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail - und der Kampf bis zur Absegnung dauert lang. Doch heute, Freitag, wollen die EU-Energieminister die letzte Streitfrage klären und damit die Liberalisierung des Energiebinnenmarktes tatsächlich absegnen.

Bis dahin werde es aber noch "hitzige Debatten" geben, hieß es in Diplomatenkreisen. Offen ist dabei vor allem noch ein Punkt, an dem sich die Niederländer nach genauerer Durchsicht der tausenden Seiten des geplanten EU-Gesetzestextes stoßen. Sie haben ihre eigenen Energieversorger bereits zerschlagen, das heißt die Übertragungsnetze eigentumsrechtlich von den Produzenten getrennt. Das hatte die EU-Kommission für alle Mitgliedsstaaten vorschreiben wollen, um etwa der Diskriminierung neuer Mitbewerber durch die Platzhirsche einen Riegel vorzuschieben.

Jetzt wollen die niederländischen Verhandler verhindern, dass "ganz gebliebene", integrierte Konzerne wie der französische Gigant EdF ihre Hochspannungsleitungen aufkaufen.

Eine Gruppe von acht bis neun Ländern hinter Frankreich, Deutschland und Österreich, wittert in diesem Ansinnen einen fundamentalen Verstoß gegen das im EG-Vertrag verbriefte Recht des freien Kapitalverkehrs. Sie fordern die absolute Gleichberechtigung des von ihnen durchgesetzten "dritten Wegs", die dadurch eingeschränkt wäre.

Alternative noch nicht restlos akzeptiert?

Der "dritte Weg" bei der Liberalisierung des Energiemarkts ist ein Hybrid zwischen damaligen Status quo (Energieunternehmen, die gleichzeitig Produzenten und Vertreiber sind) und Zerschlagung. Diese Alternative sieht die strikte personelle und strukturelle Trennung der Netztochter vom Mutterunternehmen vor. Das Management muss eigenständige Entscheidungen bei Netzbetrieb und Instandhaltung treffen können. Manager dürfen drei Jahre vorher und vier Jahre nachher nicht in einem anderen Teil des Konzerns arbeiten. Auch der Regulator, in Österreich die E-Control, bekommt wesentlich stärkere Rechte und hat etwa das letzte Wort bei Investitionsentscheidungen für den Ausbau der Netze.

Auch beim Schutz der Hochspannungsleitungen und wichtigen Gaspipelines vor potenten Investoren von außerhalb der EU wie Gazprom, konnte bereits eine Einigung gefunden werden. Bevor in Ländern, die eigentumsrechtlich Entflechten, das Netz verkauft wird, muss der nationale Regulator zustimmen.

Wien konnte sich am Ende mit seinen mächtigen Verbündeten durchsetzen. Die heimischen Versorger wie Verbund, Tiwag oder VKW müssen nicht zerschlagen werden.

Und den Niederlanden, die im Ernstfall wohl eine Sperrminorität mobilisieren könnten, würden wohl Ausnahmen oder Übergangsfristen zum Schutz ihrer Netze vor unliebsamen Investoren gewährt, wenn sie das im Einzelfall ganz klar begründen könnten, hieß es.

Damit sei die Sache aber immer noch nicht ganz ausgestanden. Nachdem die Energieminister am Zug waren, muss das Ergebnis noch mit dem EU-Parlament abgestimmt werden, dass am Strommarkt bisher den strikteren Kurs der EU-Kommission verfolgt hat.

Die Parlaments-Abgeordneten müssten einlenken, meinte ein Diplomat, ansonsten werde das gesamte Paket noch scheitern. Möglich seien etwa Zugeständnisse der Mitgliedsstaaten bei den vom Parlament geforderten erweiterten Konsumentenrechten im Gegenzug für die Akzeptanz des dritten Wegs.