Als junger Karikaturist im Zweiten Weltkrieg brauchte er die Hilfe von General Dwight D. Eisenhower, um wegen seiner ätzenden Zeichnungen nicht ins Gefängnis geworfen zu werden. Als 23-Jähriger erhielt er 1945 den Pulitzerpreis für seine verwegenen GI-Gestalten Willie und Joe, deren sarkastischer Humor einer Generation von US-Soldaten ein wenig Licht und Humor in das düstere Kriegsleben brachte. Später richteten sich seine Karikaturen gegen den Ku-Klux-Klan, gegen die Kommunisten-Verteufelung des McCarthyismus genauso wie gegen den Kommunismus. 1959 bekam er dafür den zweiten Pulitzerpreis - Bill Mauldin, eine Legende der amerikanischen Karikatur, starb dieser Tage in Los Angeles im Alter von | 81 Jahren.
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"Sein dunkler Humor und seine respektlosen Zeichnungen fingen genau die Stimmung einer neuen Generation von Soldaten ein, die die Führungsqualitäten ihrer eigenen Offiziere in Frage stellte", schrieb die "Los Angeles Times" nach seinem Tod. Mauldins "Repräsentanten" des US-Militärs waren zwei heruntergekommene GIs, dreckig und unrasiert, durch Schlamm und Schnee stapfend, in nassen Fuchshöhlen schlafend, den feindlichen Kugeln und ihren eigenen unfähigen Offizieren ausweichend. "Gestern hast du mir das Leben gerettet. Ich schwor, ich werde mich dafür revanchieren", sagt Willie in einer Zeichnung zu Joe. "Hier hast du mein letztes Paar trockener Socken".
Willie and Joe
Einmal steht Willie in schlurfiger Haltung vor Joe, der Medaillen austeilt. Willie sagt: "Gib mir lieber ein Aspirin, ich hab' schon ein Großes Verdienstkreuz." Genau genommen war es "The Military Order of the Purple Heart" - den Mauldin selbst nach einer Verwundung erhalten hatte. Das "Purple Heart" war ihm weniger wert als Bleistift, Pinsel, Papier und Farbe, die im Krieg nur schwer aufzutreiben waren. "Am liebsten zeichnete ich auf dickem Plakatpapier. Ich riss einfach die Plakate von Mussolini und Hitler von den Wänden und zeichnete auf die leere Rückseite", schrieb er später.
Sein bissiger Humor, seine antiautoritäre Gesinnung hätte ihm um ein Haar einen Prozess vor dem Kriegsgericht eingebracht. General George Patton, von Willie und Joe oft genug aufs Korn genommen, drohte die Militärzeitschrift "Stars and Stripes", in der die Karikaturen erschienen, einstellen und den Zeichner einsperren zu lassen, "wenn nicht Mauldins skurrile Versuche, die militärische Disziplin zu untergraben, eingestellt würden".
Retter Eisenhower
Als Retter erwies sich General Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Europa, später Präsident der USA. Eisenhower befürchtete, jeder Versuch einer Zensur würde die Moral der Armee untergraben und arrangierte eine Aussprache zwischen dem hoch dekorierten General und dem einfachen GI. "Wir sind nicht als Freunde auseinander gegangen", erzählte Mauldin einem Kriegsreporter der "Time", "aber wir haben wenigstens unsere Gedanken ausgetauscht." Was er wirklich dachte, enthüllte er nach dem Krieg in seinem Buch "Up Front", einem amerikaweiten Bestseller: "Da saß er. Sein Haar silbern, sein Gesicht rosa. Seine Uniform und seine Schultern glitzerten mit mehr Sternen, als ich zählen konnte. Seine Finger glänzten mit Ringen, und eine unglaubliche Masse von Gürteln war ungefähr ab Tischhöhe um seine Brust bis hinauf zur Schulter gewickelt. Seine Augen blass, beinahe farblos mit einem cholerischen Anflug. Sein schmaler, zusammengepresster Mund scharf nach unten gezogen mit einer Unterlippe, die dahinter genauso ein schmollendes Kind wie einen keine Späße kennenden Vorgesetzten vermuten ließ. Neben ihm, in einem großen Sessel, Willie, der Bullterrier. Willie hatte den Ausdruck seines Bosses, ihm fehlten nur die Gürtel und die Sterne. Ich stand in der Tür und starrte in die vier härtesten Augen, die ich jemals gesehen hatte." Soweit der junge, respektlose Bill.
So wie er da saß im Zweiten Weltkrieg nach der Landung der Alliierten in Sizilien mit dem Milchgesicht unter dem übergroßen Stahlhelm der GIs, in der linken Hand den Bleistift an Stelle des Sturmgewehrs, hätte kaum einer die rebellische Haltung des jungen Mannes vermutet. Eine Haltung des am 29. Oktober 1921 in Mountain Park, New Mexico, geborenen William Henry Mauldin, Sohn stets Arbeit suchender Eltern, die im Überlebenskampf während der Großen Depression von Armut geprägt und geschärft wurde.
Mit 13 las er in einem Magazin eine Anzeige über einen Karikatur-Fernkurs. Mit den neu erworbenen Fähigkeiten ließen sich 100.000 Dollar im Jahr verdienen. Bill borgte sich 20 Dollar für die Gebühr von der Großmutter aus und bestellte den Kurs.
Seine ersten Karikaturen in der Schulzeitung, in dem er die Lehrer verriss, wurden von den Betroffenen allerdings nicht erkannt. Einem Medizin-Magazin schickte er eine Zeichnung mit zwei über dem Grab eines Hundes trauernden Kindern. Das Magazin veröffentlichte die Zeichnung nicht - schickte aber dem jungen Künstler einen Dollar Anerkennungshonorar. Mit 17 wurde er aus dem Naturgeschichte-Unterricht geworfen, weil er einem Skelett eine glühende Zigarette in den Mund gesteckt hatte. Bill verließ die Schule, ging nach Chicago und bewarb sich um die Aufnahme in der "Academy of Fine Arts".
Die 300 Dollar Aufnahmegebühr borgte er einmal mehr von der Großmutter. Mit Zeichnungen auf Menükarten von Restaurants und politischen Plakaten verdiente er ein wenig Taschengeld, seine Karikaturen wurden jedoch von den großen Magazinen nicht angenommen. Deshalb landete er bei der Armee, wo er wenigstens ein sicheres Einkommen erhielt. Sein rebellischer Charakter half dabei wenig. "Ich war ein Besserwisser und sagte immer meine Meinung", schrieb er später. "Deshalb fand ich mich zumeist im Küchen- oder Latrinendienst wieder."
Für "Stars and Stripes"
Während des Infantrietrainings in Oklahoma zeichnete er Karikaturen für die Zeitung der 45. Division, ab 1943, in Italien für "Stars and Stripes", wo ihm der Durchbruch zu den Massen gelang. Seine Zeichnungen waren der Kontrapunkt zu den zackigen, sauberen Soldaten der US-Militärreklame und machten ihn schnell zum Liebling der einfachen Soldaten. Eine Karikatur zeigte erschöpfte US-Soldaten, ausgehungert, in Fetzen, gebückt durch den Regen marschierend. Der Text dazu lautete: "Amerikanische Truppen, mit der Euphorie der Sieger, bringen Tausende hungrige, kriegsmüde Gefangene heim."
Nach der Rückkehr in die USA 1945 erhielt er den Pulitzerpreis, aber Willie und Joe verloren ohne Front ihren Glanz, und es brauchte zehn Jahre, bis Mauldins freche Feder wieder den Zugang zu den Massen fand. Es waren etwa bissige Karikturen über den Ku Klux Klan oder den Kommunismus. Eine Karikatur zeigt Boris Pasternak in einem sibirischen Gefängnis. "Ich gewann den Nobelpreis für Literatur", sagt Pasternak zu einem Lagerkollegen. "Was hast du verbrochen?" Für diese Zeichnung erhielt er 1959 abermals den Pullitzer-Preis.
Seine legendärste Karikatur war die weinende Abraham-Lincoln-Statue, den Kopf unter den Armen begraben, nach der Ermordung von Präsident John F. Kennedy 1963. Trotz aller Berühmtheit versuchte Mauldin Zeit seines Lebens der einfache Soldat Bill zu bleiben. Die Bekanntheit ging ihm auf die Nerven, oft verbarrikadierte er sich tagelang in seiner Wohnung in Los Angeles.
An Alzheimer erkrankt
Als er gegen Ende der Neunzigerjahre an Alzheimer erkrankte, in ein Sanatorium musste, wurde es jedoch zu seiner einzigen Freude, von Hunderten Kriegsveteranen besucht zu werden und von Tausenden Briefe mit Genesungswünschen zu erhalten. Peanuts-Erfinder Charles Schulz ließ seinen Snoopy oft vor dem alljährlichen Veteranentag ankündigen, dass er zu Bill Mauldins Haus gehen und sich eine Dose Bier holen werde. Das Original der Zeichnung schickte er Mauldin. Als die beiden zusammentrafen und Mauldin ihn fragte, warum er die Snoopy-Originale erhalte, sagte Schulz nur: "Ich war während des Zweiten Weltkriegs bei der Infanterie in Frankreich." Die Antwort sprach für sich.