88 Stoßzähne wurden in der Wohnung eines Mannes in Wien gefunden. Am Freitag startete der Prozess gegen ihn.
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Wien. "Ich bin ein Sammler", sagt Herr B. Erzählt er über seine Leidenschaft, gerät er ins Schwärmen. Immer wieder tausche er seine Stücke aus - "so wie andere Bilder wechseln", meint der kahlköpfige Pensionist, der unter seinem schwarzen Anzug ein schwarzes Hemd trägt. Für das Prachtexemplar hat er in seiner Wohnung einen ganz besonders schönen Platz reserviert. "Den Großen stelle ich zur Wand hin. Ich genieße das", sagt er. Wegen seiner Sammlung hat Herr B. am Freitag im Wiener Straflandesgericht auf der Anklagebank Platz zu nehmen. Denn B. sammelt keine Bilder oder Briefmarken, nein, er ist in Elfenbein vernarrt.
Im November 2016 wurden bei der Durchsuchung seiner Wohnung 88 Elfenbeinzähne gefunden, die insgesamt mehr als 560 Kilo schwer waren. Der Schwarzmarktwert soll bei rund einer halben Million Euro liegen. Es war der größte Aufgriff, den es bisher in Österreich gab - und der zweitgrößte in Europa.
"Gier kannte keine Grenzen"
B. ist von der Staatsanwaltschaft Wien wegen Verstößen gegen das Artenhandelsgesetz angeklagt. Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Es ist nicht das erste Mal, dass B. mit der Strafjustiz zu tun hat. 2014 verkaufte er am Gelände des AKHs coram publico zwei Stoßzähne an einen Krankenhausmitarbeiter. Damals hatte er eine Diversion bekommen - bei einer solchen muss der Betroffene etwa einen Geldbetrag zahlen oder gemeinnützige Arbeit leisten, wird aber nicht formell verurteilt.
"B. hat eine erschreckende Obsession mit Elfenbein", sagt Staatsanwalt Bernhard Mascha. "Seine Gier nach Stoßzähnen kannte keine Grenzen." Zwischen 2012 und 2016 habe der Angeklagte die Zähne gekauft und in seiner Wohnung gebunkert, so der Staatsanwalt. Doch stecke hinter "jedem Stoßzahn die Geschichte eines gequälten Tieres". Per Beamer zeigt Mascha Fotos von abgeschlachteten Elefanten. "Männer wie er haben das Blut der Tiere auf ihren Händen."
Der 67-Jährige, der als Masseur arbeitete und aus einem wohlhabenden Elternhaus stammen dürfte, bekennt sich nicht schuldig. Er gibt an, dass er die Stoßzähne von einem befreundeten Ägypter 1979 gekauft hat. Österreich ist dem Washingtoner Artenschutzabkommen, das den Handel mit Elfenbein verbietet, erst 1982 beigetreten. Sollte B. das Elfenbein bereits 1979 gekauft haben, wäre er nicht zu bestrafen. In diesem Fall würde er die Stoßzähne - da das Abkommen damals noch nicht in Kraft war - legal besitzen.
"Mein Vater ist mit mir 1957 aus Ägypten nach Österreich gekommen", sagt B. Gemeinsam mit einem anderen Ägypter habe sein Vater hier studiert. "Dieser Ägypter war ein Spieler", sagt B. Immer wieder habe sich der Mann von ihm Geld ausgeborgt. Im Gegenzug habe er von dem Ägypter 1979 die Stoßzähne bekommen, erklärt B. Staatsanwalt Mascha glaubt ihm nicht. Es sei gelungen, die Tochter und den Hausarzt des - mittlerweile verstorbenen - Ägypters ausfindig zu machen. Beide würden angeben, dass dieser mit Elfenbein nichts zu tun gehabt habe. "Auf mehreren Stoßzähnen haben sich auch Euro-Preisschilder befunden - und 1979 gab es den Euro nicht."
"Dass er ein chronischer Sammler war, darüber brauchen wir gar nicht reden", sagte Verteidiger Peter Philipp. "Sie konnten aber in dem ganzen Ermittlungsverfahren nicht nachweisen, dass er die Zähne verkauft oder von jemanden gekauft hat. Fest steht nur, dass er sie hat", so Philipp in Richtung des Staatsanwalts.
Weltmeister und "Buschelefant"
Für Verwirrung sorgen am Freitag gleich mehrere Aussagen von B. So gibt der 67-Jährige an, er habe 1975 in Kairo in der Mittelgewichtsklasse den Box-Weltmeister-Titel erkämpft. Den Namen seines Gegners weiß er aber nicht mehr genau. "Das ist schon so lange her", erklärt er. Die Richterin will das überprüfen lassen.
Unklarheit herrscht auch über die "Buschelefanten": B. behauptet, dass rund ein Drittel der Zähne von Walrössern, Mammuts und Buschelefanten stammt. "Ich habe viel gelesen, meine Familie hat in Ägypten mit Elfenbein gehandelt", sagt B., der sich selbst als Elfenbeinexperte bezeichnet. "Buschelefanten? Es darf bezweifelt werden, dass diese Spezies existiert", sagt Mascha dazu.
Auch ein Sachverständiger, der die Zähne auf Tierart und geografische Herkunft untersucht hat und sein Gutachten präsentiert, kommt zu einem anderen Ergebnis. Es sei in hohem Ausmaß plausibel, dass sie von afrikanischen Elefanten stammen. "Ich kann aber nicht ausschließen, dass es auch asiatische Elefanten waren", so der Gutachter. "Das akzeptiere ich nicht", empört sich B. Ein Teil der Zähne stamme definitiv von Walrössern und "Buschelefanten": "Die sind unten viel zu klein für einen Elefanten!"
Am nächsten Mittwoch wird die Verhandlung fortgesetzt.