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· Noch bevor Mittwoch Mittag die CDU/CSU-Fraktionsspitze in Berlin bestätigte, dass Wolfgang Schäuble seine Führungsämter zurücklegt, war den politischen Beobachtern in Berlin klar, dass
seine Tage als CDU-Chef gezählt sind. Schäuble, der seit 1991 an der Spitze der Fraktion stand und 1998 Nachfolger von Helmut Kohl als CDU-Vorsitzender wurde, hat den Machtkampf endgültig verloren.
Der ehemalige Innenminister, der sich unter Kohl als einer der Gestalter der Wiedervereinigung einen Namen gemacht hat, wurde ein Opfer der Finanzaffäre, in der er sich immer mehr verheddert hat.
Der 57-jährige Jurist, der sich die Aufklärung des Skandals um illegale Spenden und geheime Konten zum Ziel gesetzt hatte, konnte nach Ansicht seiner Kritiker nicht mehr den notwendigen Neuanfang für
die Partei herbeiführen. "Das ist Ende von Schäuble", sagte schon Dienstag Abend ein Fernsehreporter, nachdem die Unions-Fraktion die Neuwahl des Vorstandes beschlossen hatte.
Fünf Tage nach dieser Abstimmung in der Unions-Fraktion wird in Schleswig-Holstein gewählt. Ein Sieg der CDU dort hatte vor wenigen Monaten noch als sicher gegolten, die Niederlage gilt jetzt als
gewiss.
Schäuble, der seit einem Attentat im Oktober 1990 in den Rollstuhl gezwungen ist, wurde auch von der mächtigen Gruppe der CDU-Abgeordneten aus Nordrhein-Westfalen zum Rücktritt aufgefordert. Dort
wird im Mai ein neues Regionalparlament gewählt, die Chancen für eine Ablösung der dort ebenfalls von SPD und Grünen gebildeten Koalition sind ebenfalls wegen der Spendenaffäre minimal.
Die Kritiker werfen Schäuble völlig unzureichendes Krisenmanagement vor. Bei der demonstrativen Distanzierung von Helmut Kohl, dessen "Kronprinz" er lange gewesen war, war ihm die Führung der Partei
noch gefolgt. Kohl, 25 Jahre lang Parteichef und 16 Jahre der von der Union gestellt Kanzler, verzichtete vor kurzem auf den Ehrenvorsitz. Er war zuvor aufgefordert worden, dieses Amt ruhen zu
lassen, solange er nicht die Herkunft der anonymen Spenden von bis zu 2 Mill. Mark offenlege.
Viele aber auch in der eigenen Partei verstanden nicht, warum sich Schäuble dann in einen Clinch mit der früheren Schatzmeisterin Brigitte Baumeister wegen einer Spende des Waffenhändlers Karlheinz
Schreiber aus dem Jahr 1994 begab. Zu den Umständen, wie er dieses Geld erhalten hatte, wie es weitergegeben worden war, wie damit verfahren worden war, haben inzwischen beide widersprüchliche
eidesstaatliche Erklärungen abgegeben. Als der "Ehrenrat" der Fraktion am Dienstag darüber beriet, sollen Worte wie "Lug und Trug" gefallen sein.
Schäuble, der noch am Montag in dieser Kontroverse die Unterstützung der CDU-Führung bekommen hatte, war zumindest intern vorher schon nicht unumstritten. Nachdem er im Dezember eingestehen mußte,
zunächst im Parlament nicht die Wahrheit über die Spende Schreibers gesagt zu haben, schien bereits seine Position immer schwächer.
Im April wolle er auf dem CDU-Parteitag wieder für das Amt des Parteichefs kandidieren, hatte er mehrfach versichert. Ein anderer muß nun die CDU aus der schwersten Krise ihrer Geschichte
herausführen, bei der allein schon die möglichen finanziellen Strafen ihre Existenz bedrohen.