Jeder von uns will beim ersten Kennen lernen einen guten Eindruck machen. Wir wollen, dass unser Gegenüber beeindruckt, fasziniert oder zumindest wohlwollend gestimmt ist. Leider gelingt das nicht immer. Was kann man tun, um beim ersten Treffen einen guten Eindruck zu machen - und ist der erste Eindruck wirklich so wichtig?
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Wenn man einen Menschen zum ersten Mal trifft, dann macht man sich innerhalb von nur wenigen Zehntelsekunden ein Bild von ihm, ordnet ihn in eine Schublade. Das mag vielleicht ein wenig simpel klingen, aber so funktioniert unser Verstand nun mal. Der erste Eindruck zählt, und wenn sich dieser einmal manifestiert hat, dann ist er schwer wieder zu revidieren. Warum ist das so? Warum lassen wir uns nicht Zeit, lernen den Menschen vorher besser kennen? Warum ist unser Geist so sehr davon besessen, rasch zu urteilen?
Überbleibsel aus der Urzeit. Vielleicht stammt dieses Muster noch aus der Urzeit, als unsere Vorfahren schnell abschätzen mussten, ob dieser Mensch, der ihnen gegenüberstand, ein Freund oder ein Feind war. Da hatte man keine Zeit, sich lange "zu beschnuppern". Da hieß es blitzschnell handeln, wenn man überleben wollte. Viele Urinstinkte hat sich der Mensch aus jener Zeit bewahrt. Ob das nun gut oder schlecht ist, ist nicht zu beurteilen, sondern einfach eine Tatsache.
Sehr spannend ist ein Experiment, dass man 1986 machte. Damals stellten Sozialforscher eine Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen zusammen, die sich in sieben Wochen einige Male trafen. Nach jedem Treffen wurden die Teilnehmer gebeten, ihre Eindrücke von den anderen Mitgliedern aufzuschreiben. Es stellte sich heraus, dass der erste Eindruck prägend für alle weiteren Verhaltensinterpretationen der Gruppenmitglieder war - und das, obwohl dieser nur auf sehr spärlichen Informationen basierte. Wenn wir also jemanden beim ersten Eindruck intelligent finden, wird sich daran auch wenig bei weiteren Treffen ändern, selbst wenn der Betreffende bei der zweiten Begegnung durchaus sehr viel Unsinn redet. Wir werden dafür eher eine Entschuldigung finden als bei jemanden, den wir auf den ersten Blick als dumm abgestempelt haben. Daran lässt sich unschwer erkennen, wie wichtig der erste Eindruck ist.
Eindruck schinden. Wie hinterlässt man aber nun einen positiven ersten Eindruck bei seinen Mitmenschen? Zunächst muss man sich vor Augen halten, dass sich der Eindruck aus vielen unterschiedlichen Komponenten zusammensetzt. Da hätten wir zunächst natürlich einmal die Kleidung. Durch Kleidung drückt man oft seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht aus. Wer sich schlampig kleidet, wird meist von seinen Mitmenschen auch mit den Charakterzügen unzuverlässig, unbeständig und sogar faul bedacht.
Beim ersten Kennen lernen sind auch der Gesichtsausdruck, die Mimik, der Blick sehr wichtig: Das Gegenüber merkt sofort, wenn die Mimik starr ist, wenn der Blick stechend und daher als unangenehm empfunden wird. Aber auch ewige Lächler werden mit Misstrauen beäugt. Wenige würden, wenn man sie nach den entscheidenden Kriterien beim ersten Eindruck befragt, an die Haltung denken. Tatsächlich spielt diese jedoch eine große Rolle. Betritt jemand mit erhobenem Kopf und gerader Haltung den Raum, dann hat er eine ganz andere Ausstrahlung als jemand, der mit gesenktem Kopf und gekrümmtem Rücken eintritt. Äußere Haltung gibt auch viel Aufschluss über die innere Haltung, das sollte man nie unterschätzen.
Ein Aspekt, der in dieser Kategorie auch oft unterschätzt wird, ist unsere Stimme. Durch die Lautstärke, den Tonfall, die Stimmlage werden meist unbewusst Signale gesendet, die das Gegenüber sehr wohl einzuordnen weiß.
Seminare als Rettungsanker? Ist jetzt das Fazit des Ganzen, dass wir eine Farb- und Stilberatung besuchen, uns an der Volkshochschule in ein Rhetorik-Seminar einschreiben und vielleicht im Fitnessclub einmal beim Kurs "Rückenschule" vorbeischauen sollten? Und danach machen wir immer den besten Eindruck auf alle unsere Mitmenschen. Es wäre schön, aber so läuft die Sache leider nicht. Natürlich kann man sich in Schulungen einige Dinge aneignen, aber meist wirkt das Ganze dann sehr gekünstelt. Man macht keinen authentischen Eindruck und genau das ist aber das Wichtigste. Dadurch, dass man vielleicht unter dem Einfluss des Gelernten zwar eine gerade, aufrechte Haltung hat, aber die Stimme noch immer dünn und ausdruckslos ist, bekommt unser Gegenüber unterschiedliche Informationen, die verwirren und unsicher machen.
Einen guten Eindruck kann man da nicht erzielen. Oft werden in teuren Seminaren Dinge gelehrt, die kontraproduktiv sind. Da wird geübt, wie man richtig steht, wie schräg oder gerade man den Kopf halten muss oder dass man einer Person, die man noch nicht so gut kennt, nicht zu nahe kommen soll. Der Händedruck sollte fest sein und das Halten des Blickkontaktes mit dem Gegenüber ist auch noch wichtig.... Und dann werden diese Menschen "in die freie Wildbahn" geschickt und sollen üben und sehen, ob es mit dem Gelernten klappt. Viele Erfolgserlebnisse werden sie nicht haben. Denn was man bei all diesen Tipps vergisst: Man muss auf die Individualität jedes einzelnen eingehen. Wer sich bei den zwischenmenschlichen Beziehungen an zu viele Ratschläge hält, begeht einen Kardinalfehler. Er verwendet viel Energie und Aufmerksamkeit auf Dinge, die von selbst ablaufen sollten. Viel wichtiger wäre es, sich mehr mit seinem Gegenüber zu beschäftigen und auf dessen Bedürfnisse individuell einzugehen. Das kann man aber nicht, wenn man so sehr mit sich selbst und seiner Ausstrahlung beschäftigt ist.
Befangenheit. Aber was soll man tun, wenn diese Kommunikations-Regeln eben nicht von selber ablaufen, werden jetzt vielleicht viele fragen. Dann sollte man an ganz anderer Stelle zu "arbeiten" beginnen. Wenn man im ersten Gespräch mit jemandem fahrig oder zappelig ist, mit dünner, leiser Stimme spricht, dann ist man nervös. Diese Nervosität resultiert wieder aus einer Unsicherheit heraus, und die wiederum kommt aus mangelndem Selbstwertgefühl. Und genau da muss man dann ansetzen. Hier gilt es nachzuforschen. Ängste und Befangenheit engen uns immer ein, wir können nicht mehr natürlich reagieren - unser Gegenüber merkt diese Befangenheit und wird seinerseits verunsichert. Es entsteht eine unangenehme Situation, der erste Eindruck ist vermasselt.
Jetzt muss man sich natürlich fragen: Warum fühle ich mich verunsichert, warum schüchtert mich dieser Mensch ein, was erwarte ich? Wenn man sich mit diesen Fragen auseinander setzt, dann wird man rasch feststellen, dass man sein Gegenüber zu einflussreich werden ließ.
Natürlich soll das jetzt nicht heißen, dass es nicht auch unangenehme Zeitgenossen gibt, die sehr wohl eine große Portion Selbstwertgefühl mitbekommen haben, aber dennoch nicht unbedingt als "Lieblinge der Gesellschaft" gesehen werden. Die Palette reicht von der Quasselstrippe über den penetranten Besserwisser bis zum unausstehlichen Egomanen. Diesen Menschen wird aber auch in diversen Rhetorik-, Stil- oder Benimm-Seminaren nicht geholfen werden. Darum sollte uns Selbstreflektion durch alle Lebensstationen begleiten. Ein einfacher Test, der oft verblüffende Wirkung zeigt, wäre zum Beispiel, wenn man nach Selbsteinschätzung seine positiven und negativen Charakterzüge aufschreibt und dann seine Freunde bittet, das gleiche zu tun. Man wird über das Ergebnis erstaunt sein....
Dieser Test soll nicht verunsichern, sondern uns unsere Stärken und Schwächen erkennen lassen und als Basis für eine gesunde Selbsteinschätzung dienen. Denn jemand, der mit beiden Beinen auf der Erde steht, sich selbst ernst, aber nicht zu ernst nimmt und seinem Gegenüber mit echtem Interesse und Aufgeschlossenheit gegenüber tritt, der wird bei seinen Mitmenschen einen guten ersten Eindruck hinterlassen.