Evelyn Regner führt die SPÖ mit Andreas Schieder in die EU-Wahl. Sie hofft auf einen linken Kommissionspräsidenten.
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Wien. Im Mai kommenden Jahres finden die EU-Wahlen statt, vergangenen Sonntag hat die SPÖ ihre Kandidatenliste dazu gewählt. Die langjährige EU-Abgeordnete Evelyn Regner wurde hinter Andreas Schieder auf Platz zwei gereiht. Die "Wiener Zeitung" sprach mit ihr über soziale Standards in Europa, Steuern und die Entscheidung über den künftigen EU-Kommissionspräsidenten.
"Wiener Zeitung":Obwohl Sie schon seit 2009 EU-Abgeordnete sind und als einzige der SPÖ-Kandidaten Erfahrung im EU-Parlament mitbringen, wurden Sie nicht SPÖ-Spitzenkandidatin. Ärgert Sie das?
Evelyn Regner: Nein, Andreas Schieder und ich treten als Duo auf. Er repräsentiert die innenpolitische Seite, ich bringe die Erfahrung auf EU-Eben ein. Bei der Listenerstellung wurde auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen und den Regionen Österreichs geachtet.
Die SPÖ hat 2014 bei der EU-Wahl 24 Prozent erreicht. Werden Sie das ausbauen können?
Die europäischen Rahmenbedingungen sind härter geworden - die SPÖ hat das auch schon im Bundespräsidentenwahlkampf 2016 und bei der Nationalratswahl 2017 erfahren müssen. Wir haben auf der einen Seite die Nationalisten und Populisten, die alles in den einzelnen Mitgliedstaaten regeln wollen, und wir haben auf der anderen Seite die Marktgläubigen, die die EU nur als großen Binnenmarkt begreifen. Für uns Sozialdemokraten ist die Europäische Union ein Projekt, das vor allem dazu da ist, damit es den Menschen besser geht. Es wird Zeit, dass die Menschen etwas vom vereinten Europa haben. Da kommen wir auf meine Themen: Wenn die Länder zueinander in Konkurrenz treten, leiden am Ende alle darunter. Dasselbe gilt für die Beschäftigung: So zum Beispiel erhalten Lkw-Fahrer oft nur vier Euro pro Stunde und das unter schrecklichen Bedingungen. Hier braucht es europäische Gesetze.
Europäische Standards sind gut und schön, aber werden dadurch die hohen österreichischen Standards nicht gefährdet?
Es ist sehr gut, dass die österreichischen Standards höher sind. Das ist kein Wettbewerbsnachteil, sondern Anreiz für ganz Europa. Die hohen Standards im Arbeitsrecht - gute Kollektivverträge, Elternteilzeit, Karenz - können aufgrund der hohen Sozialversicherungsabgaben auch dazu führen, dass Betriebe Arbeitsplätze verlagern. Andererseits musste auch Österreich etwa bei der Gleichbehandlung bereits Standards anheben. Gerade eben wird auf EU-Ebene eine Richtlinie zur Work-Life-Balance behandelt. Diese sieht unter anderem vor, dass jemand, der bis zum zwölften Lebensjahr der Kinder Teilzeit arbeitet, ein Rückkehrrecht in Vollzeit haben soll. Das gibt es in Österreich nicht.
In Österreich gibt es das Recht auf Elternteilzeit bis zum siebenten Lebensjahr mit Recht auf Vollzeit.
Ja, stimmt, die gibt es in Österreich. Die nun in Behandlung stehende Richtlinie sieht auch Pflegetage vor. Auch die gibt es in Österreich bereits, aber in anderen Ländern noch nicht. Mir ist wichtig, dass die Standards auch in den anderen Staaten höher werden.
Sie sind ja in der Steuergruppe. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) hat angekündigt, eine Digitalsteuer in Österreich einzuführen, wenn sich die europäischen Finanzminister nächste Woche darauf nicht einigen können. Ist das sinnvoll?
Das, was derzeit von ihm auf dem Tisch liegt, ist eine Mickey-Mouse-Steuer, die kaum etwas bewirkt. Um tatsächlich etwas bewirken zu wollen, müsste man umsetzen, was das EU-Parlament bereits beschlossen hat: Steuern müssen Konzerne dort bezahlen, wo sie Gewinne erwirtschaften - egal ob online oder offline. Wir brauchen Transparenz von Google und Co, eine EU-Körperschaftssteuer und müssen definieren, wo die digitale Betriebsstätte ist.
Diese Steuer ginge dann direkt an die EU, die diese dann auf die Länder verteilt.
So hätten wir das gerne, aber dazu braucht es das gesamte Paket der Digitalsteuer und keine Minivariante, die vorsieht, ein wenig Abgaben von Google und Co zu verlangen. Von nationalen Alleingängen bei der Werbeabgabe hätte die Bevölkerung wenig.
Es gibt die Idee, dass der Spitzenkandidat der Siegerfraktion bei der EU-Wahl automatisch EU-Kommissionspräsident sein soll. Finden Sie das richtig?
Ich finde die Idee der europaweiten Spitzenkandidaten der Fraktionen gut, weil Europa dadurch ein Gesicht bekommt. Nach der Wahl sollte das freie Spiel der Kräfte einsetzen. Ich weiß, dass es gegen die EVP (die Europäischen Volksparteien) für die Sozialdemokratie schwer werden wird. Aber ich wünschte mir, dass sich die Progressiven, die Sozialdemokraten, die Linken oder auch Macron-Liberale und Grüne zusammentun, um einen Präsidenten zu wählen.
Also kein Automatismus?
Kein Automatismus.
Sie glauben also, dass eine linke Mehrheit möglich wäre?
Ja, durchaus, das muss als Variante im Raum stehen. Die Wähler sollten eine Entscheidungsmöglichkeit haben: Entweder für ein Europa, das sich abriegelt und die Frauen zurück an den Herd schickt, oder für ein demokratisches Europa, das für Menschenrechte steht.