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"Der erste Schritt war richtig"

Von Bettina Figl

Politik

Hopmann: Schulen sollen Präsenzzeit der Lehrer autonom regeln.


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Wien. Die ÖVP betritt mit ihrem Modell zum Lehrerdienstrecht bei dem strittigen Punkt Arbeitszeit Neuland: Die Anwesenheitspflicht der Lehrer soll demnach jeder Schulstandort selbst festlegen. Wieviele Stunden es konkret sein sollen, besagt der ÖVP-Vorschlag zwar nicht, die Anwesenheitspflicht soll aber über der derzeitigen Unterrichtsverpflichtung liegen. Der Vorschlag der Regierung sieht unterdessen eine 24-Stunden-Woche für alle Lehrer vor. Bisher variiert die Unterrichtsverpflichtung je nach Schultyp: Während die beim Bund angestellten AHS- und BHS-Lehrer eine 20-Stunden-Woche haben, arbeiten die den Ländern zugehörigen Pflichtschullehrer 1776 Stunden pro Jahr, also 20 bis 22 Stunden pro Woche. Wo und wie Stundenvorbereitung oder Fortbildung stattfindet, ist derzeit nicht im Detail geregelt.

"Wiener Zeitung": Ihre erste Reaktion zum ÖVP-Konzept?

Stefan Hopmann: Ich habe mich gefreut, aber meinen bösartigen Kommentar über die Blockiererei konnte ich einstampfen (lacht). Es wird nun versucht, aus der Pattsituation auszubrechen. Das Präsenzzeitmodells ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Es soll also nicht nur die Arbeitszeit in der Klasse zählen?

Dass Arbeitszeit über Unterrichtsstunden reguliert wird, gehört schon lange abgeschafft. Unterricht ist nur ein Teil der Arbeit. Statt einer fixen Stundenzahl pro Woche sollte man auf Jahresarbeitszeit umsteigen. Die Arbeitsbelastung ist manchmal - in der Volksschule in der Vorweihnachtszeit, in der Oberstufe vor der Zeugnisverteilung - viel höher als sonst. Wie die Verteilung zwischen Präsenzzeit und selbst verfügbarer Zeit erfolgt, sollte nach Schulstufen variieren, das ist international üblich.

Welche Gefahren sehen Sie dabei?

Es darf nicht - wie das ja geplant war - möglich sein, dass man sich aussucht, ob man in das neue Lehrerdienstrecht umsteigen will oder nicht. Ich kann nicht nur für einen Teil der Lehrer nach Arbeitszeitbudgets bezahlen, das führt zu unaushaltbaren Konflikten am Arbeitsplatz. Und es muss vor Ort geregelt werden, wie die Präsenzzeit geregelt wird. Das Schlimmste, was die Politik machen könnte, wäre, Präsenzzeit zentral festzuschreiben.

Also mehr Autonomie für die einzelnen Schulstandorte?

Ja, aber das Mischverhältnis für jeden Schultyp kann zentral festgelegt werden. Wenn ich in der Oberstufe unterrichte, dauert die Vorbereitung länger als in der Volksschule. Ich halte es für richtig, dass es je nach Schulstufe unterschiedliche Mischungen zwischen Präsenz- und Eigenzeiten gibt. Mindestens zwei Drittel der Arbeitszeit an der Schule zu sein, ist international üblich.

Sie haben die Umstellung auf die Präsenzzeit in Norwegen und Dänemark miterlebt, wie war das?

Nach ein, zwei turbulenten Jahren wollte keiner mehr zurück. Alle merkten, dass es fairer ist. Aber es gibt Kollegen, die es sich in ihrem Winkel eingerichtet haben und dasselbe machen wie vor 30 Jahren - für sie ist Arbeitszeitkalkulation ein Übergriff.

Die ÖVP will eine neue Arbeitszeitstudie, eine langjährige Forderung der Gewerkschaft. Eine gute Idee?

Es gibt seit Ewigkeiten keine brauchbare Arbeitszeituntersuchung mehr. Doch wenn das eine seriöse Studie werden soll, muss sie zumindest ein Schuljahr erfassen. Würde man in vier Wochen ein Design aus dem Boden stampfen, würden die Ergebnisse im Sommer 2015 am Tisch liegen. Das ist ein Vertagungsvorschlag.

Finanzministerin Maria Fekter will 2000 zusätzliche Schulpsychologen und administratives Personal. Die Lehrergewerkschaft forderte aber 13.000 solche Stellen.

Das sind Luftzahlen. Österreich hat viel weniger Unterstützungspersonal als EU-weit üblich, auch Ungarn und Tschechien liegen weit vor uns. Europaweit kommt auf sieben bis neun Lehrer eine Hilfsstelle, in Österreich liegt das Verhältnis bei in etwa 1:20.

Stichwort Lehrermangel: Wie könnte der Beruf attraktiver werden?

Es ist ein Problem, dass alle Lehrer gleich sind. Um junge Leute an den Beruf zu binden, braucht es Karrieremöglichkeiten. Doch die Differenzierung lässt man nicht zu. Es gibt die Angst, Leute ungleich zu behandeln.

Diese Angst hat die ÖVP scheinbar nicht: Laut ihrem Modell soll es - außer beim Einstiegsgehalt - keine gleiche Bezahlung für alle geben, obwohl die Ausbildungen angeglichen werden.

Da hat sich die ÖVP vor ihren Lehrerverbänden verbeugt. Ich finde das nicht schlimm: Überall sonst wird man nach der Funktion bezahlt, nicht nach der Ausbildung. Dass man Lehrer nach Erfahrung, Führungsverantwortung und Ähnlichem bezahlt, erschreckt nur die Gewerkschaft.

Zur Person
Stefan Hopmann forscht am Institut für Bildungswissenschaft der Uni Wien zu Lehrplan- und Schulentwicklung, Qualitätsentwicklung und Didaktik