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Vor zehn Jahren, am 17. Juli 1992, hat sich die Slowakei für souverän erklärt. Die einstmals kleinere Schwester von Tschechien hat inzwischen als Ziel vor Augen, in die erlauchten Klubs der NATO und der EU aufgenommen zu werden. Doch zuvor gilt es eine wichtige Hürde zu nehmen: Die Parlamentswahlen am 20. und 21. September werden über die Tauglichkeit der Slowakischen Republik für eine Mitgliedschaft in den westlichen Bündnissen entscheiden. Als Wahlsieger zeichnet sich schon jetzt die HZDS, die "Bewegung für eine Demokratische Slowakei", unter der autoritären Führung von Vladimir Meciar ab. Sollte dieser wieder Regierungschef werden, könnten allerdings die Beitrittsbegehren des kleinen Landes behindert werden. Um das zu verhindern, werden in Preßburg hinter den Kulissen bereits eifrig Absprachen geführt. Auch wenn zuvor die Wähler am Wort sind.
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Es war der 16. Misstrauensantrag gegen die seit 1998 amtierende Regierung von Mikulas Dzurinda. "Unfähigkeit bei der Lösung der Lebensprobleme der Gesellschaft", warf diesmal die oppositionelle "Bewegung für eine Demokratische Slowakei" (HZDS) Vladimir Meciars - die größte Parlamentspartei - dem Regierungschef vor. Das Defizit im Staatshaushalt, die hohe Arbeitslosigkeit, der Kursverlust der Krone und die "Ausbreitung der Korruption" würden die Interessen des Landes beschädigen. Doch auch der 16. Versuch, die Dzurinda-Regierung vorzeitig aus den Angeln zu heben, scheiterte vergangene Woche. Der Kalender, wonach am Wochenende vom 20. und 21. September, das Parlament neu gewählt wird, dürfte demnach halten. Und der Gewinner steht mit Vladimir Meciar schon jetzt fest. Seiner HZDS sagen Umfragen mehr als 30 Prozent voraus. Regierungspartner scheint er jedoch keinen zu finden.
Zusammenhalt der Dzurinda-Regierung
"Ja, diese Wahlen haben eine Schlüsselbedeutung. Aber es gibt eine Chance. Ich glaube, dass die Slowaken rational wählen werden", gibt sich Grigorij Mezesnikov vom Institut für Öffentliche Angelegenheiten hoffnungsvoll. Er wertet es schon als Erfolg, dass es der amtierenden Regierung überhaupt gelungen sei, die Legislaturperiode zu beenden. Neun Minister mussten freilich seit 1998 ihren Hut nehmen. Dennoch: Seit der Gründung der Slowakei (1993) habe diese Regierung die meisten Gesetze durchgebracht, betont Mezesnikov. Für das Tempo der Dzurinda-Regierung bezeichnend ist auch, dass die letzte Session des Parlaments vor der Sommerpause nicht weniger als 160 Tagesordnungspunkte umfasste. Davon waren 50 Gesetzesbeschlüsse in Bezug auf den geplanten EU-Beitritt.
Stolz ist die Slowakei vor allem darauf, unter den Kandidatenländern mittlerweile im vordersten Feld zu liegen und in den Beitrittsverhandlungen bereits 26 Kapitel des Gemeinschaftsrechts ("acquis communautaire") abgehakt zu haben - und das in nur 28 Monaten. "Dabei waren uns die anderen Visegrad-Staaten (Ungarn, Polen und Tschechien, Anm.) um 18 Monate voraus", unterstreicht Maria Kadlecikova, Vizepremierministerin für europäische Integration.
Stolze Slowakei
Der slowakische Stolz kommt nicht von ungefähr: Vor fast genau sieben Jahren (1995) wurde das Beitrittsgesuch an die EU geschickt, ein halbes Jahr vor Tschechien. Aber erst im Februar 2000 nahm die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Slowakei, gemeinsam mit Lettland, Litauen, Malta, Bulgarien und Rumänien, auf. Bereits 1998 hatte Tschechien, gemeinsam mit Polen und Ungarn, mit den EU-Beitrittsgesprächen begonnen. Der Grund, weshalb die Slowakei aus der Luxemburger Gruppe der Beitrittskandidaten hinausgefallen war, hat einen Namen: Vladimir Meciar. Seine Regierung (von 1994 bis 1998) war für die EU undemokratisch und erhielt daher die rote Karte.
Ein ähnliches Szenario wird nach den Wahlen vom September befürchtet. EU wie NATO haben bereits - mehr oder weniger - klar gemacht, dass eine neuerliche Meciar-Regierung die Integrationsbestrebungen der Slowakei behindern würde. Allzu deutliche Warnungen vor Meciar von außen könnten jedoch kontraproduktiv sein und die Wähler "jetzt erst recht" zu einer Stimmabgabe für Meciar bewegen. Offizielle Umfragen weisen eine überragende Mehrheit von bis zu 70 Prozent für die EU-Mitgliedschaft der Slowakei aus - nicht geachtet wird allerdings auf die Informiertheit der Slowaken.
"Die Regierung schwärmt nur von den Vorteilen der EU. Aber sie sagt uns nicht, was die Mitgliedschaft kosten wird oder welche Nachteile sie vielleicht bringen wird", stellt der junge Martin, Beamter und studierter Historiker, ernüchtert fest. "Wenn die Zustimmung für den EU-Beitritt so groß ist, muss den Slowaken klar gemacht werden, dass sie sich auch an den Wahlen beteiligen müssen", sagt der Delegationsleiter der EU-Kommission in Preßburg, Eric van der Linden. "Vieles wird von der Wahlbeteiligung abhängen, je geringer sie ist, umso besser für Meciar", so der EU-Botschafter. Dem stimmt Politikwissenschafter Mezesnikov zu. Was der Meciar-Partei HZDS noch nützen werde, sei, wenn einige Parteien nicht ins Parlament kommen. Immerhin sind mehr als 70 Parteien im Rennen um den Einzug ins Parlament, mindestens fünf Prozent Wählerstimmen sind dazu notwendig.
Nicht-Wähler entscheiden
Ob die Slowaken auf Kontinuität setzen werden? Diese könne nur die Fortsetzung der bisherige Regierung garantieren, betonte zumindest Premier Dzurinda von der Slowakisch Demokratischen Koalition am Parteitag am Wochenende. Eine weitere Alternative neben einer Rückkehr Meciars ist die Mitte-Rechts-Koalition aus Smer, die sich selbst als "Partei des Dritten Weges" definiert, und der eher liberalen Allianz des Neuen Bürgers (ANO) des Medientycoons Pavol Rusko. Diese Mitte-Rechts-Koalition könnte zudem mit Meciars HZDS zusammen arbeiten, ohne dass der Parteiführer selbst in der Regierung sitzt. "Aber", so der Politologe Mezesnikov, "die HZDS ist ohne Leader unvorstellbar". Daher sein Resümee: "Nur wenn die Wahlbeteiligung hoch ist, haben die demokratisch orientierten Parteien eine Chance zu regieren."
Für die Slowakei wird die erste Hürde nach der Wahl die Entscheidung sein, ob das Land vier Wochen später eine Einladung zum NATO-Beitritt bekommt. Dann sei der NATO-Gipfel am 20. November in Prag "eine Formsache", meint Juraj Stern, Vizerektor der Wirtschaftsuniversität. Für die Slowakei führe kein Weg an NATO und EU vorbei: "Wir bekommen einen Spielplatz zugewiesen. Das ist wie im Fußball. Und wir müssen mit den Regeln innerhalb der Linien spielen" - Meciar habe außerhalb gespielt.