Karl erhält 15 Millionen mehr vom Finanzminister. | Front der Kritiker wird immer breiter. | Regierung in der Defensive. | Wien. "Wir sind fertig mit dem Budget 2011", verkündete Bundeskanzler Werner Faymann gemeinsam mit Vizekanzler Josef Pröll durchaus freudestrahlend am 23. Oktober. Gut eine Woche später ist der Druck der diversen protestierenden Interessensvertreter bereits so stark, dass gravierende Korrekturen zunehmend wahrscheinlicher werden. Einzige Voraussetzung laut Koalitionsspitze: Zumindest die Sparziele müssten halten.
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Als erster Stein aus der Budgetmauer fiel am Freitag die Kürzung der Studienbeihilfe für jene rund 8000 Studenten, die bereits 24 beziehungsweise 25 Jahre alt sind und daher künftig keine Familienbeihilfe mehr beziehen sollen. Für diesen Zweck erhält Wissenschaftsministerin Beatrix Karl von Finanzminister Pröll gut 15 Millionen Euro mehr für ihr Budget. Die Studenten kündigten dennoch die Fortsetzung ihrer Proteste an.
Viel spricht dafür, dass noch weitere Sparvorhaben der Regierung kippen werden. Immerhin beginnt der Funke des Widerstands immer stärker auch auf die beiden Koalitionsparteien überzuspringen. Am Anfang beschränkte sich der Protest noch auf die "üblichen Verdächtigen" wie Hochschülerschaft und diverse Non-Profit-Organisationen, alsbald sprangen einzelne Landespolitiker auf - mittlerweile rumort es in beiden Regierungsparteien erheblich.
Lopatka: Änderungen nur innerhalb der Ressorts
Dass mit der Korrektur der Studienbeihilfe ein Wall gebrochen ist, daran will Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka nicht glauben: "Ich gehe davon aus, dass die vereinbarten Budgetziele halten werden. Änderungen kann es allenfalls innerhalb der einzelnen Ressorts noch geben. Wenn die Minister bessere Lösungen finden, bitte sehr, aber sie hatten ja durchaus genügend Zeit, deshalb wäre ich überrascht, wenn es hier nun plötzlich Änderungen geben sollte", so Lopatka gegenüber der "Wiener Zeitung".
Vom Aufschrei gegen die Budgetpläne zeigt sich der ÖVP-Politiker unbeeindruckt. "Darüber bin ich überhaupt nicht überrascht, entscheidend ist, dass die Regierung selbst überzeugt ist, dass sie das Richtige tut und ich bin davon fest überzeugt." Und auf die Frage, ob dies seiner Meinung nach auch auf sämtliche anderen Regierungsmitglieder zutreffe, antwortete Lopatka: "Davon gehe ich aus."
Am stärksten in der Kritik finden sich dabei die Maßnahmen im Familienbereich - neben der Begrenzung der Familienbeihilfe auf 24 Jahre ist dies insbesondere die Streichung des Mehrkindzuschlags -, die Kürzungen bei der Pflege, die Aussetzung des besonderen Kündigungsschutzes für Behinderte für drei Jahre sowie das Hinausschieben von baulichen Adaptierungen. Bei den Sozialversicherungsträgern stößt die Kürzung des Strukturfonds für die maroden Kassen von 100 auf 40 Millionen Euro auf wenig Zustimmung.
In der SPÖ ist ÖGB-Präsident Erich Foglar Wortführer der Kritiker, in der ÖVP haben sich zuletzt Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll und Sozialsprecher August Wöginger für eine Entschärfung der Maßnahmen insbesondere im Familienbereich ausgesprochen.
Opposition springt auf Protestzug auf
Auf den Zug der Protestwelle springt nunmehr auch die Opposition auf: Die Grünen kündigen eine Verfassungsklage gegen die aus ihrer Sicht verfassungswidrige Herabsetzung der Anspruchsdauer bei der Familienbeihilfe an. Das BZÖ will gar eine Bürgerinitiative gegen die Sparmaßnahmen ins Leben rufen.
Im Justizbereich wird das Gefängnis in Judenburg, eine Außenstelle der Justizanstalt Leoben, geschlossen. Das Einsparungspotenzial beträgt rund 100.000 Euro jährlich.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl rechnet gegenüber der APA bereits 2013 mit dem nächsten Sparpaket, sollten nicht jetzt die drängendsten Strukturprobleme im Budget angegangen werden. Unterdessen beharren die Länder auf ihrem Anteil an der Bankensteuer.