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Es ist der erwartete Triumph geworden. Recep Tayyip Erdogan, bislang Ministerpräsident der Türkei, ist bereits im ersten Wahlgang zum neuen Staatsoberhaupt des Landes gewählt worden. Der Erfolg wird ihn darin bestärken, seinen autokratischen Kurs fortzusetzen: mehr Kontrolle über Regierung, Parlament und Justiz, fortgesetzte Einschränkung der Versammlungs- und Pressefreiheit, juristische Verfolgung seiner Gegner. Die Korruptionsvorwürfe gegen sein Umfeld dürften sich erledigt haben.
Der Opposition ist es offensichtlich nicht gelungen, mit ihrem Versöhnungskandidaten Ekmeleddin Ihsanoglu in Erdogans Wählerschaft einzubrechen; sie hat ihm vermutlich noch konservative Wähler zugetrieben, denen ihr Kandidat zu weich erschien. Damit dokumentiert das Ergebnis die tiefe Spaltung der Türkei zwischen Konservativen auf der einen, Liberalen und Linken auf der anderen Seite – auch geografisch: Während die "europäische" Westtürkei und Mittelmeerküste für Ihsanoglu stimmte, gewann Erdogan Zentralanatolien und der kurdische Kandidat Selahattin Demirtas den kurdischen Südosten.
Doch kann sich Erdogan trotz des Erfolgs seiner Macht nicht wirklich sicher sein. Er hat deutlich weniger Wähler überzeugt, als ihm die meisten Umfragen prognostizierten – und das trotz eines beispiellosen Einsatzes von Geld, Medienmacht und staatlichen Mitteln im Wahlkampf. Wegen der Ferienzeit haben zudem weit weniger Türken abgestimmt als bei den vergangenen Parlaments- und Kommunalwahlen – von denen die meisten aus dem liberaleren Westen stammen dürften. Deshalb könnte es sein, dass Erdogan trotz seines Triumphes mit Widerstand selbst in der eigenen Partei rechnen muss, falls er versucht, sich jetzt zum Autokraten aufzuschwingen.