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Der Erzberg wird zum Labor

Von Eva Stanzl

Politik
"Zentrum am Berg" ist der Name des neuen geologischen Forschungszentrums im Erzberg. Obwohl unter Tag geforscht wird, musste ein Name gefunden werden, der sich nicht wie die "Zeit im Bild" mit "ZiB" abkürzen lässt .
© fotolia/Karin Zaiser

Geologisches Forschungszentrum im Erzberg drohte an fünf Millionen zu scheitern - doch nun zeichnet sich eine Einigung ab.


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Alpbach/Wien. Fast drei Jahre lang wurde verhandelt, mehr als ein Jahr spießte es sich an den Kosten und nun zeichnet sich ein Beschluss ab: Im steirischen Erzberg entsteht ein neues Forschungszentrum von europäischem Zuschnitt. Das "Zentrum am Berg" unter der Federführung der Montanuniversität Leoben soll den Geowissenschaften und der Auftragsforschung rund um Tunnelbau, Risikoforschung und Sicherheit dienen.

"Alle Finanzierungspartner haben versprochen, die Sache einer positiven Entscheidung zuzuführen", bestätigte die frühere steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, Vorsitzende des Universitätsrates der Montanuni, der "Wiener Zeitung" unter Bezug auf ein informelles Gespräch aller beteiligten Partner - Verkehrsministerium, Wissenschaftsministerium, steirische Landesregierung und Montanuniversität - in Alpbach. Auch aus der steirischen Landesregierung war am Montag Positives zu erfahren: "Von allen Seiten besteht Einigkeit, dass das Projekt gewünscht ist. Derzeit sind finale Gespräche im Gang. Sobald sie auf allen Ebenen positiv abgeschlossen sind, werden wir das Ergebnis bekanntgeben", erklärte ein Sprecher des zuständigen steirischen Wirtschaftslandesrats Christian Buchmann.

Konkret dreht es sich in der Endphase um einen Betrag von fünf Millionen Euro, die sich dem Vernehmen nach die Finanzierungspartner aufteilen könnten.

"1:1-Versuchsanlage unter realen Bedingungen"

Am Erzberg befindet sich mit der VA Erzberg GmbH der größte Bergbaubetrieb Österreichs. Jährlich werden 8,5 Millionen Tonnen Gestein gewonnen und zu 2,2 Millionen Tonnen Feinerz verarbeitet, das bei der Voestalpine in Linz und Donawitz zur Roheisenerzeugung verwendet wird.

Die Idee für ein Forschungszentrum im Erzberg stammt von Robert Galler, Professor für Tunnelbau an der Montanuni. Hintergrund sind Überlegungen zur Weiterverwendung vorhandener Tunnels, die die Voestalpine nicht mehr benötigt, sowie der Wunsch von Tunnelbaufirmen und Tunnelbetreibern, wie Eisenbahn oder Asfinag, nach einem technisch-wissenschaftlichen Betrieb für angewandte Forschung im Berg. "In Europa existieren bereits Ansätze zu einem solchen Projekt in Norwegen, der Schweiz oder Spanien. Sie alle haben jedoch Einschränkungen, etwa durch harte klimatische Bedingungen oder aufgrund von zu klein geratenen Querschnitten. Der Erzberg hat entsprechende Bohrungen und somit das umfangreichste Angebot für eine 1:1-Versuchsanlage unter realen Bedingungen", erklärt Montanuni-Rektor Wilfried Eichlseder.

Vier Straßen- und Eisenbahntunnels von jeweils mehreren 100 Meter Länge sollen der Forschung im Erzberg dienen. Zu den Forschungsschwerpunkten zählen Schäden im Gebirge infolge des Klimawandels und geologische Formationen, Tunnelbau, -betrieb, -sanierung, -wartung und -instandhaltung sowie Einsatzorganisationen, Autobahn- und Eisenbahnbau, Tunnel-Beleuchtungs- und Lüftungssysteme und Risikomanagement, etwa bei Hangrutschungen oder Feuer. "Es gibt ein großes Interesse vonseiten der Industrie, Forschungsprojekte im Tunnel durchzuführen, Branchen reichen von Tunnelbau-Spezialisten über Straßenbau bis hin zu Licht. Risikomanagement interessiert wiederum die Versicherungen", erläutert der Industrielle Hannes Androsch, der als Klasnics Vorgänger an der Spitze des Montanuni-Rats das Projekt seit den Anfängen kennt.

Trotz dieses offensichtlichen Nutzens sah es monatelang danach aus, als würde das Zentrum am Berg Knall und Fall an fünf Millionen Euro scheitern. Insgesamt werden die Kosten für den Umbau der vier Bergbau-Tunnels zum unterirdischen Forschungslabor mit 30 Millionen Euro beziffert. "Die Summe ist für Österreich zwar beträchtlich. Aber die Tunnels sind vorhanden und eine solche Chance auf eine Forschungsinstitution von europäischer Dimension kann man nicht liegen lassen. Das wäre töricht, zumal wir schon wahnsinnig weit gekommen sind", wetterte Hannes Androsch noch vorige Woche im Vorfeld der Technologiegespräche in Alpbach.

EU-Strukturförderungen bereits verplant

Dem Vernehmen nach wollen sich die Bundesministerien für Wissenschaft und Verkehr mit je fünf Millionen Euro beteiligen. Auch das Land Steiermark, das steirische Wissenschaftsressort und die Montanuni wollen jeweils fünf Millionen Euro beisteuern. Einzig über die "letzte Meile",wie Androsch es formulierte, "hat über Monate Uneinigkeit geherrscht, weil weder das Land noch der Bund mehr Geld beisteuern wollten. Der Hintergrund ist ein Spiel Bund-Länder-Brüssel", sagte er.

Erst Mitte August war in einer Sitzung der Finanzierungspartner und des Bundeskanzleramts ein vorsichtiger Konsens gefunden worden, dass die Finanzierungslücke mit der Steiermark für die Jahre 2014 bis 2020 zugeordneten Länder-Strukturförderungen der EU, Efre-Mittel genannt, geschlossen werden könnte. Im Bundeskanzleramt sprach man sogar von einem Idealfall für die neuen EU-Strukturfondshilfen, die sich in der kommenden Periode stärker an Innovationen und Infrastruktur orientieren. Das Land Steiermark stimmte zu, eine Umwidmung seiner Mittel für die nächste Efre-Finanzierungsperiode zu prüfen.

Das Fenster für eine derartige Umwidmung ist allerdings nur kurz offen. Bis Ende September müssen die relevanten österreichischen Unterlagen zur Efre-Finanzierungsperiode 2014 bis 2020 bei der Europäischen Kommission in Brüssel eingelangt sein. Weiters muss das Verkehrsministerium seine begleitenden Richtlinien für die Forschungsförderung bis Anfang Oktober in den Abstimmungsprozess einspeisen.

Wie die "Wiener Zeitung" am Montag aus dem Büro des steirischen Wirtschaftslandesrats Buchmann erfuhr, könnte das Bundesland aber Schwierigkeiten haben, die Strukturfondshilfen fristgerecht umzuwidmen, da diese bereits anderen Forschungsprojekten zugeteilt worden sind.

Die EU weist jedem Bundesland eine bestimmte Summe an Strukturförderungen zu. Aus diesem Topf wiederum erhält die Steiermark in der kommenden Periode 17 Millionen Euro für den Bereich "betriebliche Forschung und Entwicklung". "Diese Mittel sind aber in anderen Projekten auch recht dringend. Ob sie nun stattdessen in das Zentrum am Berg fließen, ist Teil der Gespräche. Es ist vermutlich nicht unbedingt notwendig, Efre-Mittel für das Zentrum zu verwenden", hieß es, und: "Die Gespräche laufen, wir wollen eine Einigung und wollen, dass diese bald erfolgt."

Eine neue Lösung muss ausgeschnapst werden

"Vielleicht kam es zu der einen oder anderen Aussage, dass Efre-Mittel für das Zentrum am Berg verwendet werden könnten", bestätigt auch Unirat-Vorsitzende Klasnic: "Die Mittel sind aber verplant, wir müssen eine andere Lösung finden." Als andere Möglichkeit könnten sich die Finanzierungspartner die verbliebenen fünf Millionen aufteilen, indem sie ihre Anteile erhöhen. Die Höhe der zusätzlichen Beträge muss aber noch ausgeschnapst werden, bevor ein Regierungsbeschluss unterschrieben werden kann. Eine Schlusssitzung ist für den Zeitraum zwischen 8. und 15. September vereinbart.

Bund, Land und Montanuniversität Leoben haben sich am 16. September auf eine gemeinsame Finanzierung geeinigt. Mit 30 Mio. Euro wurde am Dienstag vonseiten des Wissenschaftsministeriums die Gesamtinvestition für das Forschungszentrum beziffert, in dem Tunnelforschung betrieben, u.a. Raucherkennungs- und Löschsysteme, Brandmeldeanlagen sowie Baustoffe erprobt und verbessert werden und Trainingsmöglichkeiten für Sicherheitskräfte geboten werden soll. Nach langen Diskussionen haben sich die Finanzierungspartner geeinigt, dass Land und Bund jeweils 12 Mio. Euro und die Montanuniversität Leoben weitere sechs Mio. Euro beisteuern.