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Rund 300 Männer gehen auf Wiens Arbeiterstriche. | Grund dafür ist meist eine fehlende Arbeitsbewilligung. | Strafen drohen nur den Beschäftigern. | Wien. Wer einen oder mehrere Handwerker braucht, kann diese natürlich in einem Branchenbuch nachschlagen. Wer allerdings auf der Suche nach Schwarzarbeitern ist, der wird an Wiens Arbeiterstrichen fündig.
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Zu welcher Uhrzeit und an welchem Wochentag man diese aufsucht, ist dabei ziemlich egal - arbeitswillige Männer sind dort immer anzutreffen. Ein Treffpunkt befindet sich am Beginn der Triesterstraße, gleich nach dem Matzleinsdorfer Platz. Wahrscheinlich waren es der starke Verkehr, der große Baumarkt und die Tankstelle, die gerade diesen Ort als "Hackler-Aufgabel-Meile" etabliert haben.
"Wir machen alles - egal. Umziehen, Ausmalen, im Garten arbeiten - was immer gebraucht wird", sagt der 35-jährige Alin zur "Wiener Zeitung". Der gelernte Maler kommt ursprünglich aus Rumänien. Er kommt jeden Tag zum Arbeiterstrich. "Was soll ich sonst machen? Auf legale Arbeit habe ich keine Chance. Das hab ich schon zweimal versucht, aber ich bekomme keine Arbeitsbewilligung", führt er aufgebracht ins Treffen.
An diesem Tag sind etwa dreißig Männer da. Fast alle kommen aus dem Ausland, untereinander kennt man sich. In ganz Wien seien sie sicher an die 300, sagen sie. Einige von ihnen sprechen nur gebrochenes, andere ganz gutes Deutsch. Das Wort "Arbeitsbewilligung" kennen sie alle. "Wir kommen in der Früh. Wir unterhalten uns, warten und stehen halt herum", sagt Alin.
Im Normalfall geht es unter den Männern dabei ruhig zu. Aufregung macht sich allerdings breit, wenn die Polizei wieder einmal Organstrafverfügungen über sieben Euro verhängt.
Strafe für Herumstehen
Warum genau sie diese bezahlen sollen, wissen die Männer nicht. Sie fühlen sich hilflos. "Ich muss Strafe zahlen, weil ich dagestanden bin. Was soll das? Wenn ich betrunken im Gras liege, kann ich auch keine Strafe bekommen", sagt der Rumäne Christian. Bei der Polizei erklärt man auf Anfrage der "Wiener Zeitung", dass in diesen Fällen wegen "Behinderung anderer Fußgänger" gestraft werde. Mit der Tatsache, dass sich die Männer als Schwarzarbeiter anbieten, habe das aber nichts zu tun, erklärt Michael Pollak von der Bundespolizei. "Denn prinzipiell werden im Falle von Schwarzarbeit nur die Beschäftiger, nicht aber die Beschäftigten be-straft."
Um an die Beschäftiger heranzukommen, wurde 2002 die Kontrolle der illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung (Kiab) gegründet, die im Bundesministerium für Finanzen angesiedelt ist. Dort weiß man über Wiens Arbeiterstriche Bescheid. Bei der Finanz sei man aber nicht berechtigt, irgendwelche öffentlichen Orte zu kontrollieren. Aktionen im Zusammenhang mit Schwarzarbeit würden aber schon gesetzt, heißt es. Welche genau, wollte man bei der Kiab aber nicht sagen.
Dass ein Asylwerber, wie etwa der 28-jährige Sunil, versucht, sich am Schwarzmarkt zu verdingen, habe jedenfalls keine negativen Konsequenzen für ihn, erklärt Pollak. "Schwarzarbeit hat ja nichts mit dem Asylverfahren, das ja aufgrund einer politischen Verfolgung im Heimatland gestellt wurde, zu tun."
Wie viele andere Männer ist auch Sunil nun seit drei Wochen jeden Tag auf dem Arbeiterstrich anzutreffen. Arbeit habe er aber noch nicht bekommen, erzählt er zerknirscht. "Da kommen zwei, drei Männer. Ich rede mit ihnen und sage zehn Euro. Dann kommen andere und sagen: Ich arbeite für fünf. Dann nehmen sie die", erzählt er. "Die machen alles kaputt."
Vor zwölf Jahren hat er Indien verlassen. Seither hat er fünf Jahre in Malaysien gelebt, sechs Monate in Thailand, ein paar Monate in Frankreich und Italien. In Österreich ist er nun seit sechs Jahren, Wohnung hat er keine. Zur Zeit übernachtet er in einer karitativen Einrichtung. Dort dürfe man aber nur ein Monat bleiben. Und dieses sei schon um. "Bitte, bitte, lass mich noch bleiben", habe er daher zum "Chef" gesagt. Zwei Wochen hat er nun noch Zeit, um etwas anderes zu finden.
Der 37-jährige Ioan hat "Gott sei Dank" eine Wohnung. "Ich kann nicht auf der Straße schlafen", sagt er. 150 Euro pro Monat zahlt er einer Bekannten für ein Zimmer. Vier Monate am Stück ist der Rumäne schon bei einem Installateurbetrieb im neunten Bezirk untergekommen. Länger wollte sein Arbeitgeber ihn aber nicht schwarz beschäftigen. Seither hat das tägliche Warten auf Arbeit wieder begonnen. Ioans Frau und seine beiden Kinder sind in Rumänien. Natürlich würde er gerne bei ihnen leben, sagt er, nur sei dort kein Geld zu verdienen - 200 bis 300 Euro als Arbeiter. "Das ist nicht genug, um eine Familie zu versorgen. Und die Preise sind ja genauso hoch wie hier." Überhaupt sehe er in Rumänien keine Zukunft. "Ohne Lügen und Stehlen hat man dort keine Chance auf ein normales Leben." Die rumänischen Politiker seien eine Katastrophe und mit der noch immer vorhandenen kommunistischen Mentalität sei nichts weiterzubringen, meint er und schüttelt dabei den Kopf. In guten Monaten verdient er in Österreich nun 1000 Euro. Dann fährt er auch zu seiner Familie. In manchen Monaten sind es nur 700 Euro, sagt er.
Nacht durchgearbeitet
Für Christian war Mittwoch ein guter Tag. Am späten Nachmittag seien zwei Männer gekommen, die Hilfe beim Umziehen brauchten. "Ich habe die ganze Nacht durchgearbeitet und Möbel getragen", erzählt er. 200 Euro habe er dabei verdient. Auch er hat eine Frau und zwei Töchter in Rumänien. Um eine Arbeitsbewilligung bemüht er sich nicht: "Ich sehe ja, dass die anderen keine bekommen. Und ich will nicht einen ganzen Tag Arbeit verlieren", erklärt er.
Denn allein 50 Euro pro Woche müsse er für sein Pensionszimmer in Simmering bezahlen. Und das, obwohl er es mit drei anderen Männern teilt. Auch er ist manchmal schon für einen ganzen Monat untergekommen, etwa als Helfer auf einer Baustelle. "Da haben sie mir zehn Euro die Stunde bezahlt", erzählt er und schaut dabei frustriert auf den Boden.