Zum Hauptinhalt springen

"Der EU-Finanzrahmen ist unfair"

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Interview mit Lettlands Außenminister Artis Pabriks. | "Wiener Zeitung":Tony Blair hat bei seinem Finanzplan 2007-2013 massive Kürzungen vorgesehen. Lettland ist damit besonders unglücklich. Wieso?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Artis Pabriks: Wir sind das ärmste EU-Mitgliedsland und schneiden bei dem Plan am schlechtesten ab. Gerade für unser Land waren die Kürzungen unverhältnismäßig groß. Es sieht ganz danach aus, als ob die größten Verlierer in diesem Kompromiss gleichzeitig auch die kleinsten und ärmsten Länder sind. Das widerspricht der Idee der EU, in deren Interesse es eigentlich wäre, so schnell wie möglich die Unterschiede zwischen den Ländern auszugleichen. Wir wollen hier mehr Fairness. Wir haben ein Wirtschaftswachstum von 10 Prozent und das bei einem Budgetanteil, der bereits jetzt vergleichsweise klein ist. Allein deshalb schon würde von einem budgetären Anreiz für Lettland die ganze EU profitieren.

Die Flat-Tax und Marktliberalisierung macht sich also in Ihrem Land bezahlt?

Um ein Maximum an Effizienz zu erreichen, müssen wir unsere wirtschaftliche Freiheit vorantreiben. Unsere Körperschaftssteuer beträgt 15 Prozent, unsere Einkommenssteuer 25 Prozent. Das mag vielleicht eine niedrigere Besteuerung sein als sie andere EU-Länder haben. Für Lettland ist das aber das Beste: Für Investoren günstig und für uns noch hoch genug. Uns eine andere Besteuerung vorzuschreiben hätte vielleicht populistische Vorzüge, aber wirtschaftlich gesehen wäre es ein enormer Nachteil - auch für die EU. Denn wir wollen so schnell wie möglich zu einem Nettobeitragszahler werden - und wir können das auch.

In Lettland werden zunehmend Stimmen gegen Russen laut. Wie stellt sich ihnen die Situation dar?

Wir müssen da zwei Arten von Russen unterscheiden. Es gibt die Russen, die vor 150 Jahren nach Lettland gekommen sind. Die sind ein Teil unserer Nation und unsere Landsleute. Dann gibt es die Russen, die vor 20, 30, 40 Jahren zu uns gekommen sind, genauso wie Immigranten nach Österreich gekommen sind. An diese Russen stellen wir im Vergleich zu anderen EU-Ländern sehr liberale Anforderungen. Wir verlangen lediglich zwei Sachen von den Einwanderern: 1. Wenn du für immer in unserem Land bleiben willst, dann lerne die Sprache. Denn wie willst du in einem Land leben, dessen Sprache du nicht beherrscht? 2. Sei loyal zu diesem Land.

Wo konkret ergeben sich da die Reibungspunkte?

Das Problem ist, dass Teile der Bevölkerung, die erst vor kurzem nach Lettland gekommen sind, nicht die lettische Kultur kennen. Sie haben nie versucht sich zu integrieren - nicht alle natürlich, aber ein Teil von ihnen. Und so werden diese dann von nationalistischen Kräften in unseren Nachbarländern missbraucht. Das ist einfach nicht richtig.

Mit dem Nato-Beitritt und der Aufnahme in die EU hat Lettland die Hauptziele seiner Politik erreicht. Was kommt jetzt?

Der Teufel steckt hier wie so oft im Detail. Es war leicht an der Front zu kämpfen und zu wissen, wo der Freund und wo der Feind ist. Jetzt gilt es, aus Lettland eine stabile und einflussreiche Stütze Europas zu machen.