Irischer Ökonom fürchtet, dass das Wirtschaftswachstum ausgebremst wird.
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"Wiener Zeitung": Sie rufen mit anderen Akademikern zu einem Nein auf. Warum sollte Irland den Fiskalpakt ablehnen?Terrence McDonough: Dafür gibt es prinzipielle wie pragmatische Gründe. Bei diesem Pakt geht es darum, die Hände künftiger Volksvertreter zu binden. Es soll ihnen erschwert werden, den Willen ihrer Wähler umzusetzen. Das ist undemokratisch. Außerdem will der Pakt die heutige Sparpolitik vertiefen und unumkehrbar machen. Er steckt Regierungen in eine fiskalische Zwangsjacke. Das macht es für sie schwierig, auf künftige Rezessionen und Stagnationen mit einer Ankurbelung der Nachfrage zu reagieren.
Würde Irland bei einem Nein zum Pakt noch EU-Geld bekommen?
Ja. Die Bestimmung des Fiskalpaktes, wonach Irland ohne Zustimmung keinen Zugang zum künftigen Euro-Rettungsschirm ESM bekommt, wurde eingefügt, um die Ja-Seite im Referendum zu unterstützen. Wenn Irland nein sagt, hat diese Bestimmung ihren Zweck nicht erfüllt und wird entfernt werden. Außerdem gibt es auch noch andere Möglichkeiten, die Kluft zwischen Ausgaben und Einnahmen zu schließen.
Erstens Europa: Es gibt alternative Mechanismen, vor allem den bisherigen Rettungsschirm EFSF; eine ungeordnete Zahlungsunfähigkeit Irlands würde für Europa viel teurer als irgendeine Rettungsaktion. Zweitens der IWF, der Ansteckungsgefahren fürchtet. Drittens: Irland kann seine Steuern auf Vermögen und hohe Einkommen erhöhen. Viertens: Irland kann mit den Gläubigern über seine Schulden verhandeln; das wird in jedem Fall geschehen. Fünftens: Innovative Schuldeninstrumente; so könnte Irland seine Staatsanleihen für Steuerzahlungen akzeptieren. Das würde deren Wert auch bei einer Zahlungsunfähigkeit erhalten. Es wäre besser, eine Kombination dieser Möglichkeiten zu nutzen statt nur eine.
Sie wollen den Fiskalpakt ablehnen und erwarten dennoch EU-Geld. Ist das nicht Erpressung?
Die globalen Folgen eines irischen Zahlungsausfalls versetzen Irland in eine starke Verhandlungsposition. Es ist keine Erpressung, wenn wir unsere Verhandlungsstärke nutzen.
Was würde geschehen, wenn Irland dem Pakt zustimmt?
Das würde zu weiterer Stagnation in Irland und Europa führen. Allerdings würde ein Nein allein auch noch nichts ändern.
Irland ist ein Spezialfall, weil es sich erst verschuldete, um seine Banken zu retten. War das richtig?
Nein. Irland hätte die Einlagen und eine gleich große Menge der besten Vermögenswerte verstaatlichen und in eine öffentliche "gute Bank" überführen sollen. Die übrigen Vermögenswerte von schlechter Qualität wären den Bankaktionären und -gläubigern geblieben. Wenn der EZB die Rettung der Gläubiger so wichtig gewesen wäre, dann hätte sie das auf eigene Rechnung tun sollen.
Wie kann sich Irland aus der Immobilienblase herausarbeiten?
Es müssen nicht nur die öffentlichen Schulden erlassen werden, sondern auch ein großer Teil der privaten Schulden. Dazu gehören auch Hypothekenschulden.
Wann wird Irland wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen?
Unter der gegenwärtigen Politik wird das für sehr lange Zeit unmöglich sein. Wir können uns nicht mit Ausgabenkürzungen aus der Rezession herausarbeiten.
Wann wird Irland an die Finanzmärkte zurückkehren können?
Es klingt ironisch, aber ein ordentlicher Bankrott würde viel Unsicherheit aus dem Anleihemarkt nehmen und eine frühere Rückkehr ermöglichen. Aber niemand weiß wirklich eine Antwort.
Welches Abstimmungsergebnis erwarten Sie für das Fiskalpakt-Referendum am Donnerstag?
Ich denke, dass eine Mehrheit dem Pakt zustimmen wird. Die irische Regierung hat ja eine einfache Strategie verfolgt: Erst hat sie die Bestimmung in den Pakt eingefügt, wonach Irland bei einer Ablehnung kein Geld mehr bekäme. Und dann hat sie den irischen Wählern gesagt, dass es kein Geld mehr gäbe, wenn sie mit Nein stimmen. Diese Strategie scheint zu funktionieren.