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Der Euro als Therapeut

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Nach einem Bericht des Beratungsunternehmen McKinsey hat kein EU-Land so stark vom Euro profitiert wie Österreich. Die Wachstums- und Wohlstands-Dividende wird mit 7,8 Prozent der Wirtschaftsleistung angegeben. Und es gibt keinen Grund, diesem Ergebnis zu misstrauen. Die heimische Wirtschaft hat den Währungsraum als zusätzlichen Ausweg aus der (umfassend gemeinten) Enge des Landes genützt.

Die gemeinsame Währung, die es nun seit zehn Jahren zum Anfassen gibt, hat damit vermutlich stärkere wirtschaftspolitische Akzente gesetzt als die Regierungen seither. Schon der EU-Beitritt Mitte der 1990er hat einen Modernisierungsschub gebracht, den Österreich von sich aus wohl nicht gestemmt hätte.

Es ist daher zu hoffen, dass sich der Euro und die europäischen Institutionen aus ihrer momentanen Schockstarre befreien und weiterhin für Impulse sorgen.

Denn Österreich ist ganz gut darin, relativ unversehrt aus Krisen aufzutauchen, aber ökonomisch so richtig Gas geben ist die Sache der Politik nicht. Man lässt es laufen, Niko-Pelinka-Mails werden lieber herumgereicht als Pensionsreform-Papiere.

Die Studie der Berater, wonach alle Länder (sogar Griechenland) in diesen zehn Euro-Jahren die Währung als Plus verzeichnen können, wird auf Twitter wohl auch untergehen.

Dabei zeigt sie deutlich, wie leistungsfähig das Land ist, wenn man es lässt. Die politischen Orchideen-Themen und ständige Perioden des Stillstands zwischendurch lähmen hingegen. Sie zeigen ein missgünstiges Österreich, das jedem anderen den Erfolg so lange vergällt, bis er keiner mehr ist.

Dieser nicht so positiv zu bewertende Wesenszug des Österreichers würde wohl - wenn das Land weiterhin in einer Binnenlage wäre - auch wirtschaftlich zu schlechten Zahlen führen. Der mentalen Rezession folgt die materielle.

Erst die EU und der Euro haben für jene Offenheit gesorgt, die es nicht erlaubt, sich den Intrigen und Haxlbeißereien hinzugeben. Wenn es heute also gilt, den Euro abzusichern und zu schützen, so liegt das nicht nur im Interesse von Großbanken und Industriekonzernen. In Österreich sind die EU-Institutionen auch so etwas wie Psychotherapeuten. Sie verhindern, dass sich das Land jener Verzweiflung hingibt, die in Pelinka- und ähnlichen Witzlos-Debatten gipfeln.