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Der Euro-Richtungsstreit

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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In Frankreich konnte die extrem rechte Front National von Marine Le Pen zwar bei den Regionalwahlen doch nicht reüssieren, doch nie zuvor haben so viele Franzosen die FN gewählt (6,8 Millionen). Die Aussicht, dass Frau Le Pen 2017 zur Präsidentin gewählt wird, ist leider ungetrübt. Die politischen Entwicklungen in Ungarn, in Polen, aber auch Finnland bestärken die Sorgen. In der Eurozone gibt es daher eine heftige Kontroverse, welche wirtschaftspolitische Richtung geeignet ist, extremen (oder extrem populistischen) rechten Parteien das Wasser abzugraben. Mehr Schulden, um Investitionen zu fördern, sagen die einen. Mehr sparen, um das Vertrauen wiederherzustellen, sagen die anderen. Linke Mitte vs. rechte Mitte - sozusagen.

Allzu lange darf die Debatte nicht mehr dauern, denn ein Wahlsieg Le Pens 2017 würde die deutsch-französische Achse zerstören - und Frankreich aus der Eurozone führen. Das wäre dann auch ihr Ende. Die wirtschaftlichen Verwerfungen bei einem derartigen Szenario wären ungeheuerlich, der Verlust an Demokratie und Freiheit unzumutbar.

Darin stimmen die meisten überein, auch im Schluss, dass nur ein deutlicher Rückgang der Arbeitslosigkeit die extreme Rechte zügeln könne. Wie all dies zustande gebracht werden kann, darüber herrscht aber heillose Uneinigkeit in Brüssel und den europäischen Hauptstädten.

Die aktuellen Wirtschaftsprognosen in Europa sind jedenfalls zu schwach, um die Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren.

Während die Konservativen die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas verbessern wollen, beharren die Sozialdemokraten auf stärkeren verteilungspolitischen Impulsen. Die Menschen müssten wieder mehr verdienen statt weniger.

Auch wenn das jetzt kurios klingt, aber recht haben letztendlich beide. Multis zahlen kaum Steuern, das sollten sie tun. Das Regelwerk Basel III für Banken jetzt zu implementieren, ist Schwachsinn, es verhindert bloß Kredite an kleinere Unternehmen. Das Wettbewerbsrecht muss gerechter werden. Und die EZB sollte ganz offiziell Staatsschulden kaufen dürfen.

Das sind nur vier Maßnahmen, doch schon dahinter stecken politische Entscheidungen, die großen Mut erfordern. Ohne diesen politischen Mut aber hat Europa ein Ablaufdatum. Oder möchte jemand, dass nach Breslau auch in Wien oder Paris eine "Judenpuppe" verbrannt wird?