2011 wird weniger für den Euro bedeutsam als vielmehr für die Bereitschaft der 27 EU-Regierungen, stärker zu kooperieren. | Nicht der Euro sei das Problem, sondern der Schuldenstand in vielen Ländern der Eurozone, meinte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet. Gute Analyse, allerdings hilft sie der Gemeinschaftswährung nicht wirklich weiter.
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Wobei nicht der jeweilige Wechselkurs zum Dollar die Schwachstelle darstellt, sondern die beschädigte Glaubwürdigkeit der Währung. Seit April 2010 reden die Staatschefs der EU von einem Krisenmechanismus, der endgültige Beschluss Mitte Dezember dazu hinterließ Finanzmärkte und auch Ökonomen ratlos. Es schaut fast so aus, als ob die EU darauf hofft, dass 2011 der Dollar stärker ins Visier genommen wird, nach dem Motto: Schaut, da gibt es jemanden (die USA), dem es noch schlechter geht.
Als im April Griechenland seine Defacto-Zahlungsunfähigkeit eingestand und Hilfe forderte, gab es hektische Aktivitäten. Die kamen allerdings sehr spät, weil die deutsche Regierung - und hier vor allem Kanzlerin Angela Merkel - auf der Bremse stand. Am Ende musste auch Deutschland die Griechenland-Hilfe absegnen und auch den 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm. Im November folgte Irland.
Die inhaltliche Untätigkeit auf EU-Ebene höhlte das Vertrauen in den Euro stark aus. Dadurch beginnt das neue Jahr mit noch größeren Ungleichgewichten als das vergangene. Deutschland, Österreich, Finnland und die Niederlande kommen recht gut durch die Krise, der Süden fällt immer weiter zurück. Die Zinsaufschläge für Staatsanleihen aus Portugal, Spanien, Griechenland, aber auch Italien klettern in die Höhe. Der Zinsunterschied zwischen Deutschland und Spanien liegt bereits bei drei Prozentpunkten, da passen im Finanzgeschäft Welten dazwischen. Mittlerweile setzt sich auf den Finanzmärkten auch die Überzeugung durch, dass Frankreich zu wenig tut, um sein hartnäckiges Budgetdefizit von acht bis neun Prozent zu reduzieren.
Harmonisierung in der Wirtschaftspolitik
Solange es keine Harmonisierung der Wirtschaftspolitik in der EU gibt, wird der Knoten nicht gelöst werden können. Und das Thema wird wohl - auch wenn die Staats- und Regierungschefs derzeit so tun, als ob es keine Euro-Krise gäbe - das ganze Jahr 2011 bestimmen. Es geht dabei um Steuer-Harmonisierung, um größere Konvergenz in der Industrie- und Sozialpolitik - und um eine Abstimmung im Außenhandel.
Die stabilen Euro-Länder zeichnet eines aus: eine unverändert hohe industrielle Wertschöpfung. Der Süden des Kontinents hat sich dagegen auf wenige Industrien konzentriert, die noch dazu oft der asiatischen Konkurrenz ausgesetzt sind. Das ist Teil des Problems. Abseits der Frage, ob es eine gemeinsame Schuldenaufnahme der Euro-Länder geben soll (um schwache Länder aus der Schusslinie zu nehmen), stellt sich die Frage, wie das Wohlstandsgefälle innerhalb Europas abgeflacht werden kann.
Dieser Teufelskreis wird durch die jüngsten Beschlüsse der EU nicht unterbrochen. Länder wie Griechenland zahlen trotz 110-Milliarden-Euro-Rettungsschirm immer höhere Zinsen für ihre Schulden. Diese Zinszahlungen sind aus dem Budget zu bedienen, das Geld fehlt für Infrastruktur jeglicher Art (vom Bahnhof bis zur Universität). Das wiederum erhöht die Arbeitslosigkeit und vermindert die Chancen, Jobs zu kreieren. Also bleiben die Steuereinnahmen fürs Budget aus, aus dem immer mehr Geld für das Bedienen der Schulden draufgeht . . .
Die Folgen sind einfach: Länder wie Griechenland können ihre Ziele nicht erreichen, die Wirtschaftsleistung sinkt, der Abstand zu Deutschland und auch Österreich wächst. Solange die Eurozone diesem Auseinanderklaffen kein Ende setzt, wird es kein Ende der Krise geben. Überlegungen, dann den Euro zu teilen (in einen "harten" und einen "weichen" Kern), sind zwar eine theoretische Möglichkeit, in der Praxis aber undurchführbar. Italien wäre beim "weichen Euro", das bedeutet eine Abwertung der Währung. Eine Abwertung italienischer Papiere in allen Veranlagungen von Banken, Unternehmen und Privaten würde auch nördlich von Brenner und Kanaltal zu unkontrollierbaren Ausschlägen führen.
Die jetzige Regelung besagt, dass der 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm bis 2013 gespannt bleibt. Danach tritt ein Mechanismus in Kraft, der private Gläubiger am Risiko einer Euro-Staatsanleihe beteiligt. Die technischen Voraussetzungen dafür gibt es, sie orientieren sich - wenig schmeichelhaft - an Anleihe-Bedingungen, die vom Internationalen Währungsfonds für hochverschuldete Länder der Dritten Welt entworfen worden sind. Wie der trotzdem notwendige Rettungsfonds danach ausgestaltet sein wird, steht noch in den Sternen. Was also der Europäischen Union in Wahrheit bleibt, ist, ans Eingemachte zu gehen - und umzusetzen, was bisher niemand wollte.
Und das bedeutet, eine Art europäische Wirtschaftsregierung zu installieren, die Strategien entwickelt, wie es weitergehen kann. Den nationalen Regierungen würde dadurch erhebliche Souveränität genommen. Eine solche Strategie bedeutet, dass bis tief in die jeweilige Wirtschaftsförderung die Pläne aufeinander abgestimmt werden müssten. Denn mit der Krise wurde offenkundig, dass es ein Handlungsdefizit gibt, das bisher nicht abgebaut werden konnte. Ob die Regierungen über diese Hürde springen, ist freilich offen.
2011 bleibt spannend
So wird 2011 als spannendes Jahr beginnen, denn schon im Jänner wird Portugal eine Anleihe auf den Märkten begeben. Insgesamt werden die Euro-Staaten 2011 an die 600 Milliarden Euro aufnehmen, um abreifende Anleihen zu ersetzen und neue Schulden decken zu können.
Die deutlichste Unterstützung für die Gemeinschaftswährung kommt bisher nicht aus der Eurozone, sondern aus China. Die stark aufstrebende Wirtschaftsmacht erklärte im Dezember mehrfach, dass sie weiterhin Euro-Anleihen kaufen würde. Mit einem Wert von mehr als 2700 Milliarden Dollar an Devisenreserven kann sich China praktisch alles kaufen. In den hochverschuldeten Ländern Europas sind chinesische Finanz- und Industrie-Investoren rege tätig. Auch die Balkanländer haben es den Chinesen angetan.
China hat bei seinen Investitionen einen deutlich längeren Zeitrahmen im Visier. 2011 wird daher auch erwartet, dass es ein Übernahmeoffert für eine EU-Bank geben wird. "An Banken, die Investoren benötigen, herrscht in Europa kein Mangel", sagte ein Notenbanker dazu. Der Kauf einer großen Bank würde China in der Eurozone in eine noch komfortablere Situation bringen. Bei den Banken wird es 2011 ohnehin eine weitere Konsolidierung geben. Die hohen Staatsschulden resultieren großteils aus Bankenrettungsaktionen.
Vor vergleichbaren Problemen wie Europa stehen auch die USA. Für einen Angriff der 30.000 Devisenhändler, die es rund um den Globus verteilt gibt, ist der Dollar aber zu groß und zu mächtig. China allerdings ist die unumschränkte Vormachtstellung des Dollar ein Dorn im Auge. Daher auch die Unterstützung für den Euro.
Die absteigende Supermacht USA hat mittlerweile nur noch die Währung, die ihren Einfluss in der Welt sichert. So paradox es klingt: Die größte Chance des Euro im neuen Jahr ist die Unbeliebtheit der amerikanischen Währung in China, Russland, Brasilien. Darauf das neue Euro-Konzept 2011 aufzubauen, wäre freilich für die EU ein erneutes Armutszeugnis.