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Der ewige Konflikt im Kaukasus

Von Ronald Schönhuber

Politik

Der Streit um die Enklave Berg-Karabach ist zuletzt wieder spürbar hochgekocht.


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Wien. Groß einkaufen kann man mit dem Berg-Karabach-Dram nicht. Selbst die größte Notierung, der Zehn-Dram-Schein, ist umgerechnet gerade einmal zwei Euro-Cent wert. Aber die 2004 ausgegebenen und mit christlichen Motiven versehenen Banknoten, die von der Österreichischen Staatsdruckerei gedruckt wurden, sagen viel über das Selbstverständnis von Berg-Karabach und einen schon seit knapp zwei Jahrzehnten schwelenden Konflikt aus.

Anfang der 1990er Jahre hatte sich das mehrheitlich von christlichen Armeniern bewohnte Berg-Karabach von Aserbaidschan losgesagt, nachdem es den Autonomiestatus, den es innerhalb der Aserbaidschanischen Sowjet-Republik noch innehatte, verloren hatte. Im darauf folgenden Krieg kamen etwa 30.000 Menschen ums Leben, am Ende besetzte Armenien mit Unterstützung russischer Truppen Berg-Karabach. Hunderttausende muslimische Aserbaidschaner wurden infolge des Konflikts zu Flüchtlingen, viele von ihnen kannten über Jahre hinweg kein anderes Zuhause als Zeltstädte, ausrangierte Eisenbahnwaggons und notdürftig zusammengezimmerte Behelfsunterkünfte.

Im Fokus der Big Player

Um eine Lösung für Berg-Karabach, das geografisch vollständig von Aserbaidschan umschlossen ist, wird bis heute unter Vermittlung der OSZE und der sogenannten Minsk-Gruppe gerungen. Doch anders als in den vergangenen Jahren, in denen der Konflikt trotz des immer wieder gebrochenen Waffenstillstands als eingefroren galt, ist die Gefahr einer Eskalation im Südkaukasus zuletzt wieder deutlich angestiegen.

Aserbaidschan, zu dessen Staatsgebiet Berg-Karabach auch in völkerrechtlicher Hinsicht gehört, hat viel von dem mit Öl- und Gasexporten erwirtschafteten Geld in die Aufrüstung gesteckt und bereits mehrmals offen damit gedroht, "sein Territorium notfalls mit Gewalt zu befreien". Und ebenso wie beim Gegenüber lässt man auch hier im Rahmen von großen Militärparaden immer wieder die waffentechnischen Muskeln spielen.

Angesicht dieser Ausgangslage hegen Kaukasus-Experten wie Franziska Smolnik von der deutschen Stiftung für Wissenschaft und Politik auch keine allzu hohen Hoffnungen auf eine Entspannung. Allein dass sich der armenische Präsident Serzh Sarksjan und sein aserbaidschanischer Amtskollege Ilham Aliyev am Dienstag überhaupt zu bilateralen Gesprächen in Wien getroffen hätten, sei angesichts der gegenwärtigen Situation schon als Fortschritt zu werten, sagte Smolnik gegenüber der "Wiener Zeitung". Zuletzt waren die beiden Spitzenpolitiker, die nach ihrem Gespräch in der Hofburg keine Medientermine absolvierten, sondern lediglich per Aussendung erklärten, den Konflikt friedlich lösen zu wollen, im Jänner 2012 zusammengekommen.

Dass sich die beiden Staaten so schwer mit einer Annäherung tun, liegt allerdings nicht nur in der Vergangenheit begründet. Die reichen Vorkommen an Öl und Gas und geostrategische Interessen haben den Südkaukasus zuletzt verstärkt in den Fokus sowohl der lokalen Großmächte wie auch der weltpolitischen Big Player gerückt.

Russland, das nach wie vor Truppen in Armenien stationiert hat und der Regierung in Eriwan Waffen zum Vorzugspreis verkauft, betrachtet das bitterarme und knapp 30.000 Quadratkilometer Land bis heute als seinen Hinterhof. Die Versuche der EU, die Kaukasus-Staaten im Rahmen der östlichen Partnerschaft enger an sich zu binden und die dortige Märkte zu öffnen, werden dementsprechend als gegen Russland gerichteter Akt verstanden. Doch nicht nur in sicherheitspolitischer Hinsicht ist Armenien stark von Moskau abhängig, aufgrund der Spannungen mit seinen Nachbarstaaten kommt das absolutes Gros der Energielieferungen aus Russland. Die Türkei unterhält dagegen enge Bande mit Aserbaidschan, dem man sich aufgrund der Religion und der gemeinsamen Wurzeln als Turkvolk schon traditionell verbunden fühlt. Die Beziehung zu Armenien ist wegen des Streits um die Ermordung von hunderttausend Armeniern im Jahr 1915 hingegen schon seit Jahrzehnten belastet.