Zum Hauptinhalt springen

Der ewige Krieg

Von Peter Rosner

Gastkommentare

Warum in Afghanistan auch nach vier Jahrzehnten kein Ende der Kämpfe abzusehen ist.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Seit 40 Jahren gibt es Kriege in Afghanistan. Die Lebenserwartung beträgt circa 60 Jahre. Der größte Teil der Bevölkerung hat nie Frieden im ganzen Staat erlebt. Ist ein Ende der Kämpfe abzusehen? Ich glaube nicht. Diese Aussage beruht nicht auf einer persönlichen Kenntnis dieses Staates. Ich war niemals dort und habe, abgesehen von einem Vortrag eines prominenten Historikers, kaum mehr als die Tagespresse zu diesem Thema verfolgt.

Ich habe mich aber gefragt: Unter welchen Umständen gehen Kriege zu Ende? Sicher führt ein klarer Sieg einer Seite zu einem Ende. Die Niederlage Deutschlands und Japans 1945 war so ein Fall. Aber auch Bürgerkriege können mit dem klaren Sieg einer Seite enden. Der Spanische Bürgerkrieg hörte nach drei Jahren mit dem Sieg der von Francisco Franco geführten Armee auf. Franco regierte danach bis zu seinem Tod - fast 40 Jahre lang. Es war keine gute Zeit für Spanien, aber es gab zumindest keinen Krieg. Der Sieg der Kommunisten in China 1949 über die von Chiang Kai-shek geführte Armee sicherte ihre Herrschaft bis heute.

Eine Führungsstruktur fehlt

Es gibt eine zweite Möglichkeit der Konfliktbeendigung für eine lange Periode ohne Krieg: Die Kriegsparteien einigen sich durch Aufteilung des umkämpften Gebietes auf ein Ende der Kämpfe. Korea wurde 1953 nach drei Jahren Krieg durch einen Waffenstillstand bis heute von weiteren Kämpfen verschont. Eine Teilung des Landes wurde von beiden Seiten sowie von deren jeweiligen Freunden und Förderern akzeptiert. Auch die faktische Unabhängigkeit Taiwans kann unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden.

In Afghanistan ist ein Sieg der Taliban vorstellbar. Aber eine Beendigung der Kriege im Land nach einem Sieg würde voraussetzen, dass eine klare Führungsstruktur der Taliban vorhanden wäre, die den ganzen Staat kontrollieren und organisieren könnte. Nichts weist darauf hin, dass es diese gibt. Mehrere Ethnien mit unterschiedlichen Sprachen und Varianten des Islam dominieren jeweils unterschiedliche Regionen des Landes. Manche Gebiete werden von Warlords beherrscht.

Der Krieg gegen den Außenfeind deckt die internen Konflikte zwar zu, aber sobald die Truppen der USA und ihrer Verbündeten außer Landes wären, würde die Gefahr neuer Kriege zwischen diesen Gruppen steigen. Dazu kommt, dass jede dieser Gruppen in unterschiedlichen Nachbarstaaten Förderer und Feinde hat. Politische Konflikte zwischen den Nachbarstaaten würden die Gefahr eines Krieges innerhalb Afghanistans erhöhen. Diese Gemengelage spricht auch gegen eine friedliche Aufteilung des Landes. Das ist auch nicht beim Zerfall Jugoslawiens geglückt.

Es gibt eine dritte Möglichkeit, dass ein Krieg zu Ende geht: nämlich eine Erschöpfung einer oder mehrerer Kriegsparteien. Das für Europa entscheidende Beispiel ist das Ende des Dreißigjährigen Krieges. Die Bevölkerung war in den betroffenen Staaten um mehr als ein Drittel geschrumpft, nur zu einem Teil durch die Kriegshandlungen selbst. Alle Produktionen wurden durch Verwüstungen und einen Mangel an Arbeitskräften reduziert. Die nicht direkt von den Kriegen betroffenen Staaten England, Frankreich und Spanien verloren durch ihre Unterstützung für die eine oder die andere Kriegsseite viel Geld. Die Weiterführung des Krieges war nicht mehr möglich. Auch das Ende des Krieges in Europa 1918 trug die Züge einer allgemeinen Erschöpfung: Die russische Armee begann sich infolge der Revolutionen 1917 aufzulösen, der Staat Österreich-Ungarn zerfiel in Nationalstaaten, auch in den anderen am Krieg beteiligten Staaten Europas drohten Revolten.

Armut, aber keine Erschöpfung

Afghanistan ist einer der ärmsten Staaten der Welt. Dennoch ist eine Beendigung der Kriege aus Erschöpfung nicht in Sicht. 1980, am Beginn der Kriege, hatte Afghanistan 13 Millionen Einwohner, jetzt sind es fast 40 Millionen, also das Dreifache. Derzeit wächst die Bevölkerung um etwa eine Million pro Jahr. Viele junge Männer sind nicht in der Lage, sich durch Arbeit auch nur ein bescheidenes Einkommen zu sichern. Frauen sollen außerhalb des Hauses nicht arbeiten. Kämpfer sind daher leicht zu finden. Keine Produktion wird in Afghanistan durch einen Mangel an Arbeitskräften behindert.

Es werden natürlich auch Waffen benötigt. Vermutlich kann ein Teil davon im Land produziert werden. Arbeitskräfte werden sich dafür finden. Ein großer Teil wird jedoch importiert. Die für diese Kriege wichtigen Waffen sind nicht teuer. Für die meisten der in den Konflikten involvierten Parteien finden sich Freunde und Förderer in anderen Staaten. Ich fürchte, der Weiterführung des Krieges steht nichts im Weg. Einen Krieg zu führen, wie jenen in Afghanistan, ist billig geworden. Auch die Ärmsten können sich das leisten. Ich hoffe, ich habe unrecht.