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Der ewige Krieg in Darfur

Von Peter Schmidt

Politik

In "Janjaweed", dem Namen für die räuberischen Milizen in Darfur, stecken die Worte "Mann mit Pferd und Gewehr G3". Das deutsche Sturmgewehr G3 hat im Sudan Tradition: Geliefert wurde es vor Jahrzehnten im Rahmen westlicher Militärhilfe an die Regierung gegen die Rebellen im Süden. Gegen den Protest der schwarzafrikanischen Südsudanesen war nach der Unabhängigkeit 1956 der großteils christliche Süden von den britischen Kolonialherren dem muslimischen Nordsudan zugeschlagen worden. Im selben Jahr begann der Aufstand.


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In diesem Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West bedienten abwechselnd westliche und sowjetische Waffenproduzenten die Militärregime im Norden oder die Rebellen im Süden. Vier Jahrzehnte Bürgerkrieg kosteten das ärmste Land Afrikas über zwei Millionen Tote, fünf Millionen Vertriebene und täglich eine Million Dollar. Und dann wanderte das G3 und die Kalaschnikow mit dem sich verlagerten Bürgerkrieg mit nach Darfur.

An der Grenze zum Tschad gelegen ist Darfur sieben mal, der ganze Sudan dreißig mal so groß wie Österreich. 30 Millionen Einwohner zerfallen in fast vierhundert Ethnien mit zumeist verschiedenen Sprachen, von den schwarzen Azande im Süden, bis zu den Zaghawa in Darfur. Khartum ist weit weg, für sie sind die Menschen weitab von der Hauptstadt marginal - umgekehrt scheren sich die Volksgruppen wenig um die Politik aus Khartum.

Die Landbevölkerung in Darfur oder Kordofan lebt am Existenzminimum, in Zelten, Stroh- oder Lehmhütten, sie müssen Wasser über weite Strecken schleppen, leiden unter Hitze, Sandstürmen, Trockenperioden, Tropenkrankheiten, haben kaum medizinische Versorgung. Die Kindersterblichkeit ist hoch. Nomaden leben wochenlang von Wasser, getrockneten Datteln und Kamelmilch.

Spannungen und Konflikte zwischen Nomaden und Sesshaften sind uralt. Früher gab es jedoch eine Art ökologisches Gleichgewicht: Auf eigenen, ihnen zugestandenen Wanderrouten durchzogen die Nomaden mit ihren Herden nicht nur das Weideland am Rande der Wüste, sondern auch die Gebiete der Ackerbauer. Oft wurden sie gastfreundlich empfangen, man tauschte Fleisch und Milch gegen Getreide; Heiraten zwischen Nomaden und Bauern waren keine Seltenheit, Nomaden die ihre Herden verloren hatten, durften Land zum Überleben bebauen.

Aber in Darfur ist die Bevölkerungszahl in den letzten Jahren stark gestiegen, und die Wüste drängt immer weiter in die Sahelzone hinein. Die Dürrekatastrophe vor zwanzig Jahren führte zu einer katastrophalen Verknappung der Weideflächen. Dieselpumpen wurden von der Entwicklungshilfe installiert, sie förderten das Wasser aus den tiefsten Schichten unterm Wüstensand, der Grundwasserspiegel senkte sich und viele Brunnen versiegten. Ersatzteile und Dieselöl waren teuer - von Port Sudan am Roten Meer brauchen Waren für den fast 3.000 Kilometer Landweg wegen der streckenweise extrem schlechten Pisten über eine Woche - und viele Pumpen standen still. Aber die Viehzüchter hatten, nicht zuletzt beraten von westlicher Wirtschaftsphilosophie, ihre Herden enorm vergrößert. Sie hatten investiert und expandiert. 1985 und 1986 sah man dann vom LKW auch die ausgedörrten Gerippe Hunderter Kühe und Kamele an den Pistenrändern liegen.

Gaddafi mischt mit

Die ersten Zusammenstöße zwischen Dorfbewohnern und Kamelhirten um die geschrumpften Weideflächen eskalierten, als 1986/87 Libyens Staatschef Muammar Gaddafi ein "panarabisches Nordafrika" bis zur Sahelzone im Süden plante. Gaddafis arabischen Wüstenkrieger stießen im Tschad mit französischen Truppen zusammen.

Gekämpft wurde auch in Darfur: Viele den verarmten Nomaden gingen zu Gaddafis gut gedrillter "Islamischen Legion", überfielen die Dörfer der Fur, Zaghawa, Tunjur und Masalit. Sie verbrannten, vertrieben und mordeten - und blieben eine ständige Bedrohung. Die Ackerbauern fühlten sich im Gegensatz zu den "arabisierten" Nomaden als "Afrikaner", und schlossen sich - obwohl strenge Muslime - den Rebellen im angrenzenden Südsudan an.

In Khartum war inzwischen Diktator Oberst Jafar An Numeiri vom Volk verjagt worden. Der Wendehals-General hatte sich 1969 mit Hilfe der Sowjets an die Macht geputscht, später - der Nachbar Äthiopien wurde unter Oberst Haile Miriam kommunistisch - war er zum strategisch wichtigen Freund und Dollarempfänger des Westens aufgestiegen.

Blutiges Militärregime

1983 mutierte der General dann zum gläubigen Moslem und führte unter seinem streng islamistischen Justizminister Hassan al Turabi die Gesetze der Sharia ein. Er ließ Hunderte Opfer auch wegen geringer Diebstahlsdelikte Hände und Beine amputieren, seine Bürger wegen "Unmoral" und Alkoholvergehen auspeitschen, Ehebrecher steinigen. Den Korangelehrten Mohammed Mahmud Taha, der die grausamen Strafen als unmenschliche und falsche Auslegung des Koran kritisiert hatte, ließ Numeiri wegen Häresie" öffentlich henken.

Das war den immer schon religiös toleranten Sudanesen zu viel. Das Volk erhob sich, Numeiri musste ins Exil flüchten. In anschließenden freien Wahlen wurde Sadek el Mahdi, ein Urenkel des legendären "Mahdi", zum Regierungschef gewählt. Taha wurde posthum rehabilitiert, es gab Pressefreiheit, dutzende Parteiengründungen, Friedensverhandlungen mit dem Süden und in Darfur. Aber der Westen stellte seine Hilfe für die "unsichere" Demokratie ein. Die Korruption erlebte eine neue Blüte, die Arbeitslosigkeit wuchs, die Enttäuschung der Sudanesen wuchs. Drei Jahre später, 1989, putschte sich General Omar Bashir gemeinsam mit Hassan al Turabi an die Macht. Damit lenkte der ehemalige islamistische Justizminister als "graue Eminenz" erneut für viele Jahre die Geschicke im Sudan.

1991 schlugen die Truppen General Bashirs und deren Milizen den Aufstand der Ackerbauern im Darfur brutal nieder. Doch nur ein Teil der dortigen afrikanischen Bevölkerung blieb weiter im Bündnis mit der im Süden operierenden Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) des Rebellenführers John Garang. Die meisten Ackerbauern schlossen sich der "Neuen Islamischen Front" Hassan al Turabis an, der inzwischen von General Bashir entmachtet worden war. Bashir galt damit als moderater Freund des Westens, der US-Außenminister James Baker gar eines Besuches würdigte. Damals waren im Südsudan enorme Mengen Erdöl bester Qualität gefunden worden und Washington drängte entsprechend eindringlich auf einen Frieden mit dem Süden.

Im April 2003 griffen die Darfur-Rebellen mit Granatwerfern, Panzerfäusten und Maschinengewehren den Flughafen der im Zentrum der Provinz gelegenen Stadt El Fasher an, zerstörten die Kampfjets und verschleppten bzw. töteten Soldaten. Damals gelangten kaum Berichte an die Öffentlichkeit, denn in den Medien dominierte der US- Angriff auf den Irak.

General Bashir fühlte sich gedemütigt: Eben hatte er unter enormen Druck der USA einen historisch beispiellosen Waffenstillstand mit dem Südsudan abgeschlossen, der Region Autonomie und die Hälfte der Öleinkommen versprochen, und just zu dem Zeitpunkt griffen die Darfur-Rebellen im Westen an.

Zur Jahreswende 2003/2004 setzte dann die überlegene Armee mit ihren Janjaweed-Milizen zu einem brutalen und unverhältnismäßigen Gegenangriff an, der bis heute vor allem die Zivilbevölkerung schwer trifft und die UN-Generalsekretär Kofi Annan als die "derzeit schlimmste humanitäre Katastrophe" des Globus bezeichnete. UNO-Mitarbeiter, Vertreter von Hilfsorganisationen und Journalisten berichten von Hungersnöten, Massakern, Vertreibungen, Folter und Vergewaltigung. Daran hat auch die am vergangenen Freitag vom UNO-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution nichts geändert, in der sämtliche Kriegsparteien zur sofortigen Einstellung ihrer Gewalt aufgerufen wurden. Zuvor hatten die Darfur-Rebellen und die Regierung am 9. November in der nigerianischen Hauptstadt Abuja ein Protokoll unterschrieben, wonach beide Seiten ihre Kampfhandlungen einstellen und mit der Schutztruppe der Afrikanischen Union (AU) zusammenarbeiten. Für die Einhaltung der Abkommen werden Unterstützungszahlungen durch UNO, Weltbank und IWF versprochen, bei Missachtung nicht näher definierte "geeignete Maßnahmen" angedroht.

Krieg flammte neu auf

Der Krieg in Darfur geht dennoch unvermindert weiter. Zu Wochenbeginn rief der Gouverneur des nördlichen Teils der Region den Notstand sowie General-Mobilmachung "aller Zivilisten und Mujaheddin" aus, nachdem die Rebellen der Sudanesischen Befreiungsarmee (SLA) rund um die Stadt Tawilla eine neue Angriffswelle auf arabische Nomaden gestartet hatten. Grund war ein Streit über das Vieh. Die sudanesische Armee konterte mit Bombenangriffen auf ein Flüchtlingsdorf. Häufig sind es jedoch auch die Janjaweed-Milizen, die ein Neuaufflammen der Kämpfe provozieren.

Fraglich ist dabei, inwieweit Khartum die berittenen Milizen überhaupt noch unter Kontrolle hat und ob die sudanesische Regierung daher fähig ist, deren Morden ein Ende zu bereiten.

Ist Khartum überhaupt imstande, in wenigen Wochen das riesigen, großteils unzugängliche Kriegsgebiet zu befrieden und Janjaweed wie auch die Rebellen zu entwaffnen, wie es das UN-Ultimatum fordert? Selbst der US-Armee in Afghanistan ist ein solches Unterfangen bisher nicht gelungen.