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Der ewige Putin

Von Gerhard Mangott

Gastkommentare
Gerhard Mangott ist Politikwissenschafter und Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck mit dem Schwerpunkt Osteuropa und Russland.
© privat

Es ist immer sicherer, den Kreml als Leiche zu verlassen, als aus dem Amt zu scheiden.


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Länger als Josef Stalin? Wladimir Putin könnte bis 2036 Präsident Russlands bleiben. Durch die Verfassungsreform und das Ausführungsgesetz, das Putin gerade unterzeichnet hat, kann er bei den Präsidentenwahlen 2024 wieder antreten. Möglich wurde dies nur, weil durch die Verfassungsreform seine bisherigen vier Amtszeiten auf null gesetzt wurden. Die neue Verfassung beschränkt die Amtszeiten eines russischen Präsidenten nunmehr aber auf zwei Perioden. 2036 wäre für Putin dann also wirklich Schluss. Dann wäre er aber immerhin schon 83 Jahre alt - mehr als 16 Jahre älter als die durchschnittliche Lebenserwartung russischer Männer.

Wird sich Putin 2024 aber wirklich um eine neue Amtszeit bewerben? Es ist wahrscheinlich, aber keineswegs sicher. Putin könnte sich diese rechtliche Möglichkeit, erneut zu kandidieren, auch nur geschaffen haben, um aufkommende Konflikte um seine Nachfolge bis 2024 zu verhindern. Jetzt, da die politische Elite des Landes weiß, dass Putin über 2024 hinaus Präsident sein könnte, machen solche Diskussionen keinen Sinn. Die Wogen in der politischen Führung sind wieder geglättet. Hätte Putin hingegen angekündigt, 2024 abzutreten, dann wäre er die letzten Jahre seiner Präsidentschaft nur noch eine "lame duck" gewesen. Das wollte Putin natürlich verhindern.

Es gibt aber auch noch eine Veränderung, die es Putin erlauben könnte, 2024 aus der Politik auszuscheiden: Mit der Verfassungsreform wurden neue Immunitätsregeln für russische Präsidenten beschlossen. Diese dürfen nun weder zivil- noch strafrechtlich zur Verantwortung dafür gezogen werden, was sie vor, während und nach ihrer Amtszeit getan haben. Diese Immunität kann zwar parlamentarisch aufgehoben werden, aber nur mit sehr hohen Beschlussmehrheiten. Zusätzlich werden ehemalige Präsidenten Mitglieder des Föderationsrates - des Oberhauses des russischen Parlamentes - auf Lebenszeit. Auch das garantiert ihnen Immunität.

Der starke rechtliche Schutz könnte für Putin eine "exit guarantee" sein, eine Versicherung, die es ihm erlauben könnte, die politische Bühne zu verlassen. Übrigens wollen gut 30 Prozent der befragten Russen, dass Putin gleichsam in Pension geht. Die Wahrscheinlichkeit, dass er 2024 ein anderes Staatsamt übernehmen könnte, ist wiederum sehr gering. Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass er über 2024 hinaus Präsident Russlands sein wird. Es ist immer sicherer, den Kreml als Leiche zu verlassen, als aus dem Amt zu scheiden.

Wenn sich Russland wirtschaftlich und sozial aber so kümmerlich entwickeln wird, wie es die Prognosen voraussagen, dann dürfte es für Putin nicht ganz einfach werden, 2024 einen überzeugenden Wahlsieg zu landen. Zwar gibt es keinen wirklich starken Rivalen - Putin lässt auch keinen zu -, aber ein schwaches Mandat bei einer niedrigen Wahlbeteiligung könnte ihn ernsthaft schwächen. Putins Autorität innerhalb der politischen Führungselite beruht darauf, dass er eine starke Unterstützung in der Bevölkerung besitzt, die ihm Legitimität verleiht. Bröckelt diese Unterstützung, sind Rivalitäten und Konflikte an der Führungsspitze Russlands zu erwarten.