Cholera-Epidemie in Simbabwe breitet sich rasant aus. | Hilfseinsätze nur von Mugabes Gnaden.
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Die wenigen internationalen Helfer im Land wissen nicht einmal, wo sie beginnen sollen. Sind Medikamente wichtiger als Nahrungsmittel? Müssen Stromgeneratoren samt Treibstoff oder Trinkwasseraufbereitungsanlagen schneller geliefert werden? Ist der Bedarf an Brennholz größer oder der an Zelten?
In Simbabwe selbst gibt es außer Not und Elend nämlich nicht mehr viel. Mehr als die Hälfte der im Land verbliebenen zwölf Millionen Einwohner leidet massiv unter Hunger; viel mehr als eine dürftige Mahlzeit pro Tag können sich die wenigsten leisten. Strom ist seit längerem nur noch stundenweise verfügbar. Die Gesundheitsversorgung in den staatlichen Krankenhäuser des einstigen afrikanischen Musterlandes funktioniert ebenfalls nur noch in Ausnahmefällen. Röntgenmaterialien, Antibiotika und krampflösende Mittel sind nach Jahren der Misswirtschaft zur Neige gegangen. Die Notfallgeräte für die Wiederbelebung arbeiten nicht mehr, wegen fehlender Ersatzteile ist auch so gut wie kein Krankenwagen mehr einsatzfähig. Und wer nach einem Knochenbruch einen Gips benötigt, muss das Material dafür selbst mitbringen.
Die Situation, die von Oppositionspolitikern und ausländischen Helfern des Öfteren schon als totaler Kollaps der staatlichen Infrastruktur beschrieben wurde, droht sich nun allerdings noch weiter zu verschärfen. Die Cholera-Epidemie, die seit Wochen in Simbabwe grassiert, hat sich in dem von Staatspräsident Robert Mugabe mit eiserner Hand beherrschten Land nämlich in den letzten Tagen massiv ausgebreitet. Am Mittwoch zählte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) insgesamt bereits 775 Seuchen-Tote, am Vortag waren es noch um 200 weniger gewesen. Mit Cholera infiziert sind der WHO zufolge schon rund 16.000 Menschen im gesamten Land.
Und auch räumlich breitet sich die Epidemie immer weiter aus. Aus dem Nachbarland Mosambik wurden neun Todesfälle gemeldet, aus Botswana zwei. Der südafrikanische Distrikt Vhembe, der unmittelbar an der Grenze zu Simbabwe liegt, ist am Donnerstag sogar zum Notstandsgebiet erklärt worden. 664 Menschen haben sich dort mit Cholera angesteckt, acht sind bereits gestorben. Besonders schwer betroffen ist die Grenzstadt Musina, die zum Fluchtpunkt für zahlreiche erkrankte Simbabwer auf der Suche nach Hilfe geworden ist.
Kein Geld für Desinfektion
Die Flucht in ein anderes Land erscheint aber derzeit nicht nur den vielen Kranken als einziger Ausweg. Die unter normalen Bedingungen relativ gut behandelbare Cholera wird nämlich unter anderem durch verunreinigtes Wasser übertragen. Selbst in der Hauptstadt Harare, wo die Abwässer - wie in vielen anderen Städten auch - oft offen durch die Straßen fließen, liegt aber neben der Kanalisation auch die Trinkwasserversorgung darnieder. Um Desinfektionsmittel für das Leitungssystem zu kaufen, fehlt es an Devisen. Die Wasserversorgung wurde in einigen Vierteln daher zur Gänze abgestellt.
Hinweise an die Bevölkerung, Wasser nur gekocht zu trinken, wurden ohnehin längst gestrichen, denn kaum jemand kann sich in den Ballungszentren noch Brennholz leisten. Noch teurer ist freilich Trinkwasser selbst, der Liter kostet bereits einen Dollar - einen amerikanischen wohlgemerkt, denn in Simbabwe-Dollars wird angesichts der Hyperinflation von weit über 230 Millionen Prozent ohnehin nicht mehr ernsthaft gerechnet.
Burma als Menetekel?
"Wenn nicht ganz schnell etwas geschieht, nimmt die Welt den Tod von Hunderttausenden von Menschen in Kauf", sagt Paul Bendix, Geschäftsführer der Hilfsorganisation Oxfam in Deutschland. Doch viel mehr als zu warnen und auf ein Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft zu hoffen, können die Helfer momentan auch nicht tun.
Die Hilfsorganisationen in Simbabwe bewegen sich beim ihrem Einsatz von Mugabes Gnaden nämlich ohnehin schon auf dünnem Eis und müssen froh sein, überhaupt ins Land gelassen zu werden. Viele von ihnen glauben daher auch nicht, dass die vor kurzem erfolgte Ausrufung des nationalen Notstands jetzt intensive Hilfe für die Ärmsten der Armen zulässt. Vielmehr macht die Befürchtung die Runde, dass der Staat - ähnlich wie bei der Flutkatastrophe in Burma im letzten Mai - versuchen wird, die Hilfe für seine eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Denn dass Mugabe zu allem bereit ist, um seine Macht zu sichern, hat er schon mehr als einmal bewiesen.