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Der Facebook-Tod des Dr. Spindelegger

Von Clemens Neuhold

Politik

Online gewann er das Kanzlerduell. Sein Abgang spricht Bände über den Umgang mit Social Media.


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Wien. "Michael Spindelegger war der erste wirkliche ,Facebook-
Obmann‘ der ÖVP", heißt es aus der ÖVP-Zentrale. Mit 24.500 "Friends" verwies er Bundeskanzler Werner Faymann (19.000) auf die Plätze. Vor ihm lag nur Facebook-Superstar Heinz-Christian Strache mit 211.000 Fans, Außenminister Sebastian Kurz und Bundespräsident Heinz Fischer mit jeweils über 50.000 Digital-Fans.

Mit dem Abgang Spindeleggers sind die mühsam an die ÖVP gebundenen 25.000 Personen futsch. Denn Facebook erlaubt es nicht, die Fans einfach auf die ÖVP-Seite überzuführen. "Die Fans der Seite sind mit Stilllegung, nach heutigem Stand, nicht mehr verfügbar", heißt es dazu nüchtern aus der Zentrale.

Das Beispiel zeigt, wie schwierig nachhaltige Online-Strategien in der Politik sind; Strategien, für die Parteien, Organisationen und Firmen mittlerweile viel Geld ausgeben. Das Problem: Wer Politik nicht personalisiert, bindet die Menschen nicht. Die Bindung hängt dann aber an der Person. Würde Strache unsanft aus der Partei ausscheiden, verliert die Partei auf einen Schlag 210.000 Facebook-Fans. Das ist rund ein Fünftel der Wählerschaft. Nicht alle müssen blau wählen, aber jeder hat hunderte Freunde - gut genutzt ein hocheffizientes Mobilisierungstool vor Wahlen. Deswegen beginnt die ÖVP mit ihrem Obmann nun wieder bei null.

Reinhold Mitterlehner ist auf Social Media ein unbeschriebenes Blatt. "Reinhold Mitterlehner überlegt zu twittern", heißt es. Beim Erneuerungsauftakt der ÖVP genannt "Evolution", meinte der deutsche Gast aus Bayern, CSU-Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär, sinngemäß, twittern sei wie atmen. Twitter ist ein viel kleineres und - wegen der direkten Interaktion mit Journalisten und Aktivisten - heikleres Feld als Facebook.

Wesentlich in der "adaptierten Medienstrategie" sei die "Authentizität", hält die ÖVP fest. Das Gegenteil davon war der Abgang von Spindelegger. Keine persönliche Abschiedsnotiz oder der Appell, auf die ÖVP-Seite zu wechseln. Stattdessen teilen die Mitarbeiter, die seine Seite betreuten, dort die ÖVP-Aussendung über seinen Abgang. Unpersönlicher geht es nicht. Kommunikationsberater Yussi Pick von Pick & Barth weist darauf hin, dass selbst Obamas Profil mit Millionen Fans ein Ablaufdatum habe. Über den "öffentlichen Tod" Spindeleggers ist er trotzdem verwundert.

"Wenn man von einem Tag auf den anderen von Facebook verschwindet, sendet man das Signal, man habe es nicht mehr notwendig, sich volksnah zu geben." Die Nähe zum digitalen Volk war wohl nur virtuell, "Social Media" dürfte Spindeleggers letzte Sorge gewesen sein - wer kann es ihm verdenken. Allerdings würden Politiker wie Strache oder Bär Veränderungen in ihrer Vita wohl zuerst online vermelden. Der Typ bestimmt eben das Profil. Wirklich angefreundet hat sich auch Faymann nie mit Social Media. Seinen Auftritt findet Pick "farblos und trocken". Strache sowie andere Oppositionspolitiker kommunizierten hingegen "authentisch und emotional". Pick erinnert aber daran, dass Facebook nur ein kleiner Ausschnitt der Online-Welt sei. So nimmt das gute, alte E-Mail in US-Kampagnen wieder eine führende Rolle ein.