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Der Fall Boris P.

Von Christian Ortner

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Die deutschen Grünen wollen einen ihrer bekanntesten Politiker ausschließen. Das ist aufschlussreich.


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Kann es sein, dass in der grünen Bewegung "Charakterköpfe nicht mehr als interessante Bereicherung gesehen werden" und es "intellektuelle Exzentriker in unserer Partei schwer haben"? Das behaupten jedenfalls 500 prominente Grüne in Deutschland in einem offenen Brief, in dem sie gegen den drohenden Parteiausschluss des grünen Oberbürgermeisters von Tübingen, Boris Palmer, protestieren. Die Causa ist auch hierzulande von Interesse, weil die Grünen immerhin Vizekanzler und Außenministerin in der Leitmacht der EU stellen und der innerparteiliche Konflikt gut aufzeigt, wie die deutsche Regierungspartei so tickt; gewisse Parallelen zu Österreich nicht ganz ausgeschlossen.

Palmer ist ein erfolgreicher grüner Politiker, der freilich immer wieder Meinungen vertritt, die im grünen Milieu als so skandalös gelten, dass der Landesvorstand von Baden-Württemberg nun seine politische Exekution fordert. Was gegen Palmer vorgebracht wird, erzählt zumindest so viel über die Partei wie über den angegriffenen Politiker.

Vor allem in der Integrationspolitik werden ihm falsche Meinungen vorgeworfen: "In einem Interview mit dem ‚Mannheimer Morgen‘ betonte der Antragsgegner (Palmer, Anm.) im August 2015: ‚Wir haben nicht Platz für alle‘", heißt es in der Anklageschrift. Und: "Es gibt auch in Syrien Gebiete, die nicht im Krieg sind." Zum Fall eines afghanischen Asylbewerbers führte Palmer aus, zum Schutz Hilfsbedürftiger dürften sich "Gewalttäter nicht auf das Asylrecht oder gar das Christentum berufen, um in unserem Land Gewalttaten begehen zu können". Fürwahr eine skandalöse Äußerung, die ja einen Parteiausschluss praktisch erzwingt.

Aber es kommt noch schlimmer. Laut Anklägern forderte Palmer: "Abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber ohne Bleibeperspektive müssen unser Land schnellstmöglich wieder verlassen." Geltendes Recht ist für deutsche Grüne offenbar schon so Nazi, dass es unverzeihlich ist, auf seine Einhaltung zu pochen.

Inakzeptabel ist für sie auch, was Palmer in der Diskussion um die Umbenennung tatsächlich oder auch nur vermeintlich rassistischer Eigennamen von sich gab: "Ich finde, Gelassenheit und Betonung der subjektiven Empfindungen würden hier weiterhelfen. Wer als Betroffener sagt: ‚Ich fühle mich durch die Bezeichnung Mohrenkopf oder Negerkuss verletzt‘, und bittet, das zu respektieren, wird überall verstanden und positive Reaktionen ernten. Wer umgekehrt sagt: ‚Ich bitte zu respektieren, dass die Bezeichnung Mohrenkopf für mich nichts mit Rassismus zu tun hat‘, darf ebenso erwarten, dass auch das akzeptiert wird." Für deutsche Ökos klingt das offenbar schon nach Ku-Klux-Klan.

Noch schlimmer freilich stößt ihnen auf, was Palmer über ihr Milieu gemeint hat: "Nur wenn das linksliberale städtische Bürgertum seine moralische Selbsterhöhung überwindet und Toleranz für Andersdenkende auch praktiziert, wenn es wehtut, (...) gibt es eine Chance den Extremismus auszugrenzen und den Populismus einzuhegen."
Ein Satz, für den man im Jahr 2022 von den deutschen Grünen ausgeschlossen werden kann.
Das ist ganz aufschlussreich.