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Der Fall Saddam Hussein: Ein Justizverfahren, das kein Modell ist

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Saddam Hussein muss noch lange warten. Es ist sicher, dass gegen den Richterspruch, der ihn zum Tode durch Erhängen verurteilt, eine Berufung erfolgt. Über welchen Zeitraum sich das Berufungsverfahren hinziehen kann, ist nirgends festgelegt.


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Auch viele Saddam-Gegner im Irak hoffen darauf, dass die Vollstreckung des Urteils nicht so bald erfolgen wird. Die Kurden beispielsweise wollen unbedingt, dass der Völkermordprozess gegen Saddam, der noch im Laufen ist, zu einem Ende gebracht wird - an dessen Ende wohl wieder das Todesurteil stehen wird. Durch die "Operation Anfal" waren 1987 und 1988 mehr als 180.000 Kurden, viele von ihnen durch Giftgas, getötet worden.

Die Schiiten feiern unterdessen, als sei das Urteil schon vollzogen. Dass unter den Sunniten aber Wut und Trauer herrschen, zeigt die tiefe Gespaltenheit der irakischen Gesellschaft. Es ist unklar, ob die Gefolgschaft des Ex-Diktators tatsächlich stark genug ist, das Land noch weiter in den Bürgerkrieg zu treiben, wie der Anwalt Saddams vor dem Urteil gewarnt hatte. Aber bei den Demonstranten, die empört durch die sunnitischen Städte ziehen, handelt es sich nicht unbedingt um Saddam-Anhänger.

Denn zum einen ist der Konflikt zwischen der Schicht, die einst die Geschicke des - säkularen - Staates lenkte, und dem Rest der Iraker längst zu einem religiösen Machtkampf geworden. Die Sunniten sehen in dem Urteil einen weiteren "Meilenstein" (Copyright George W. Bush) in dem Bemühen, ihre Bevölkerungsgruppe zu demütigen. Dass das Todesurteil im Iran mit Freude aufgenommen wurde, wird die Sunniten, die sich gerade von dieser Seite bedroht fühlen, nicht beruhigen.

Die "Siegerjustiz" wird nicht nur den Schiiten, sondern auch den USA zum Vorwurf gemacht. Denn schließlich waren es die Besatzer, die das Sondertribunal installiert und beraten haben. Bis hin zum Prozess-TV wurden der irakischen, im europäischen Rechtssystem wurzelnden Justiz amerikanische Verfahrensweisen aufgepfropft - ein Vorgehen, das auch von westlichen Rechtsexperten als fragwürdig beurteilt wird.

Freilich waren es die Iraker, die darauf gedrängt haben, dass ihnen der Urteilsspruch über ihren Ex-Präsidenten zusteht. Die Amerikaner stimmten dem zu, in dem Glauben, damit zur Aussöhnung beizutragen. Dann aber wurden vorsitzende Richter ausgetauscht, Anwälte ermordet. Nicht nur "Amnesty international" folgert daraus, dass es bei dem Verfahren unfair zuging. Das Experiment, kein internationales Tribunal mit dem Fall Saddam zu befassen, ist gescheitert.

Nur US-Außenministerin Condoleezza Rice kam zu dem Schluss: "Die Entscheidung erinnert daran, dass die Herrschaft des Gesetzes über die Herrschaft der Angst triumphieren kann". Angst und Chaos sind allerdings im Irak allgegenwärtig. Der Optimismus ist wohl nur mit der Verteidigung der eigenen Position zu erklären. Schließlich sind in den USA Kongresswahlen. Seite 7