In Polen trat sogar der Primas vor der Amtseinführung ab. | Anders gelagert: Franz Jachyms Flucht vor der Weihe. | Rom steht meist hinter Bischöfen, die kritisiert werden. | Ist der Verzicht des Windischgarstener Pfarrers Gerhard Maria Wagner auf die Weihe zum Linzer Weihbischof ein völlig einmaliger Fall? Ein Rückzug vom Bischofsamt zwischen Ernennung und Weihe ist nichts Neues, weiß der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber, aber fast einzigartig an Wagners Schritt ist der Umstand, dass er unter dem Druck öffentlicher Proteste erfolgte und, so Klieber, dass dabei "sicher die deutliche und geschlossene Stellungnahme der österreichischen Diözesanbischöfe eine Rolle spielte".
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In Deutschland fand die "Süddeutsche Zeitung" nur einen sehr hinkenden Vergleich: 1933 nahm Wilhelm Heinrich Heufers seine Wahl zum Münsterer Bischof durch das dortige Domkapitel nicht an. Er scheute offenbar die Auseinandersetzung mit dem ans Ruder gekommenen NS-Regime, eine Konfrontation, die schließlich der statt ihm Bischof gewordene Clemens August Graf von Galen als "Löwe von Münster" heldenhaft führte.
Dass sich Kandidaten dem Bischofsamt entzogen haben oder entziehen wollten (das bekannteste Beispiel ist der heilige Martin von Tours, der sich im Gänsestall versteckte, aber vom schnatternden Federvieh verraten wurde, weshalb es diesem alljährlich an Martins Festtag an den Kragen geht), ist bekannt. Doch wer einmal ernannt war, ließ sich in der Regel auch weihen und behielt auch im Fall von Protesten - in Österreich bisher am deutlichsten bei der Bischofsweihe von Kurt Krenn im April 1987 - völligen Rückhalt aus Rom.
An umstrittenen Bischöfen hielt der Vatikan meist fest und sorgte erst dann für ihren Rücktritt, wenn das öffentliche Ärgernis zu groß wurde. Das war 1995 beim Wiener Kardinal Hans Hermann Groër (Vorwürfe sexuellen Missbrauchs in seiner Zeit als Lehrer) und 2004 beim St. Pöltner Bischof Kurt Krenn (Skandal im Priesterseminar) der Fall.
Dass im Fall Linz der Vatikan und der Betroffene nicht auf stur schalteten, bedeutet in den Augen Rupert Kliebers eine "neue Qualität" und nicht unbedingt einen Verlust an Autorität. Bemühen um Transparenz und Korrektheit des Verfahrens, Lernbereitschaft und richtiges Reagieren auf berechtigte Kritik könnten das Ansehen der Hierarchie auch stärken. Bei Österreichs Bischöfen habe sicher die Sorge geherrscht, es könnte zur Neuauflage der in den achtziger Jahren eingetretenen Polarisierung kommen.
Die stärkste Parallele zum Verzicht Wagners findet sich in Polen. Dort wurde am 6. Dezember 2006 Stanislaw Wojciech Wielgus, seit 1999 Bischof von Plock, von Papst Benedikt XVI. zum Erzbischof von Warschau und damit Primas von Polen ernannt. Bereits nach der kanonischen Amtseinführung am 5. Jänner 2007 trat Wielgus am 7. Jänner eine knappe halbe Stunde vor der feierlichen öffentlichen Amtseinführung in der Warschauer Kathedrale von seinem Amt zurück. Der Vatikan akzeptierte den Rücktritt. Was war geschehen?
Wenige Tage davor hatte die Öffentlichkeit erfahren, dass Wielgus in den siebziger Jahren Kontakte zum polnischen Staatssicherheitsdienst hatte. Am 5. Jänner war dann in der Tageszeitung "Dziennik" eine Umfrage veröffentlicht worden: 67 Prozent der Befragten plädierten dafür, Wielgus solle auf sein Amt verzichten, nur 20 Prozent gaben an, ihn als Erzbischof zu akzeptieren. Der Fall rührte an tiefe Wunden im polnischen Katholizismus - das Verhalten von Teilen des Klerus unter dem Druck des KP-Regimes.
Ganz anders, da es dabei keinerlei Druck der Öffentlichkeit gab, ist ein zuletzt oft zitierter Fall aus der österreichischen Kirchengeschichte zu sehen: Im April 1950 sollte Franz Jachym im Wiener Stephansdom zum Erzbischof-Koadjutor geweiht werden, Jachym verließ aber mit den Worten, er sei nicht würdig, den Weihegottesdienst. Klieber vermutet, Jachym - der seine Motive für diesen Schritt nie preisgab - habe Solidarität mit Kardinal Theodor Innitzer, der von Rom keinen Koadjutor verpasst bekommen wollte, demonstrieren wollen. Schließlich wurde Jachym bald darauf in Rom doch geweiht, hatte aber im Vatikan nun einen Minuspunkt, weshalb schließlich nicht er, sondern Franz König die Nachfolge Innitzers antrat.
Dass heute der öffentliche Druck bei Bischofsbestellungen eine immer stärkere Rolle spielt, liegt auch an den modernen Kommunikationsstrukturen. Via Internet kann die ganze Welt erfahren, was ein Landpfarrer zu allen möglichen Themen von sich gibt, kann sich eine internationale Protestgemeinde in einer ohnedies aufgeladenen Zeit - Stichwort: Bischof Williamson - vernetzen. Je nach kirchenpolitischem Standort wird man diese Entwicklung mit Entsetzen oder Freude betrachten.