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Der falsche Exekutor

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Im Streit um Aktenlieferungen hat jetzt der Bundespräsident das letzte Wort. Es braucht eine bessere Lösung.


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Wie weiland dem alten Kaiser bleibt auch Alexander Van der Bellen nichts erspart. Der Verfassungsgerichtshof hat am Mittwoch auf die Anfrage des Bundespräsidenten, ob das Höchstgericht im Streit um die Aktenlieferung des Finanzministeriums an den Untersuchungsausschuss seinen Antrag auf Exekution weiter aufrechterhält, kühl klargestellt, dass die Sache nun allein in seinen, also Van der Bellens Händen liege. Bekanntlich beharrt Minister Gernot Blümel darauf, sämtliche verlangten Akten geliefert zu haben, die Opposition bestreitet das.

Jetzt ist es am Bundespräsidenten, den Streit zu entscheiden - mit potenziell explosiven Konsequenzen. Dabei kann er sich jeder staatlichen Behörde bedienen, um festzustellen, ob tatsächlich alles geliefert wurde - oder auch nur ein weiteres Gespräch mit dem Finanzminister ansetzen. In der Sache selbst hat sich Blümel eingegraben, und zwar schützengrabentief. Sollten jetzt doch weitere Akten geliefert werden, bliebe dem Bundespräsidenten kaum anderes übrig, als beim Kanzler auf den Vorschlag zur Entlassung Blümels zu drängen (Van der Bellen selbst kann nur die ganze Regierung entlassen).

Der Bundespräsident ist nicht nur der Staatsnotar und ranghöchste Sonntagsredner, sondern auch letzte Kriseninstanz und Troubleshooter. Letzteres bezieht sich ihrem Kern nach auf staatspolitische Ausnahmesituationen, nicht auf parlamentarische Streitfragen. Doch aufgrund der Reform der U-Ausschüsse, in deren Rahmen der VfGH zur letzten Streitinstanz erhoben wurde, gerät nun auch der überparteiliche Bundespräsident über den Umweg als Exekutionsorgan in den Streit der Parteien.

Das wäre kein Problem, wenn es in Österreich eine politische Kultur gäbe, die ein instinktsicheres Sensorium dafür besäße, wann die Grundfesten der Republik auf dem Spiel stehen oder nur die parteipolitischen Leidenschaften aus dem Ruder laufen. Doch von einer solchen Urteilskraft kann aktuell bei den Parteien keine Rede sein.

Außer Zweifel steht, dass dieser U-Ausschuss bereits spannende und entlarvende Erkenntnisse zutage gefördert hat. Er zeigt aber auch auf, dass die bei Streitfragen eingebauten Eskalationsmechanismen über den VfGH bis zum Bundespräsidenten nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Deren Repolitisierung - etwa über einen Antrag auf Amtsverlust an den VfGH via ein qualifiziertes Minderheitsvotum des Nationalrats - wäre eine bessere Lösung. Schließlich ist auch der U-Ausschuss eine - nämlich die schärfste - Waffe der Minderheit gegen die Mehrheit. Der Bundespräsident sollte dabei keine größere Rolle spielen.