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Der fatale Preisverfall

Von Reinhard Göweil

Politik

Um Treibhausgabe zu reduzieren, will Österreich bis 2030 aus fossiler Energie aussteigen.


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Wien/Brüssel. Klimawandel und Energiewende sind zwei eng verwandte Begriffe, doch wirtschaftlich präsentieren sie sich noch als zwei Seiten einer Medaille. So hat Umweltminister Andrä Rupprechter gestern erneut bekräftigt: "Mein Ziel ist, dass wir 2030 die Stromversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern schaffen."

Der Satz hat allerdings einen Haken. Bis 2030 wird es möglich sein, den heimischen Stromverbrauch grundsätzlich mit erneuerbarer Energie zu decken, glaubt auch der Verband der Stromversorger. Allerdings werde es trotzdem noch Kraftwerke geben, die mit fossiler Energie angetrieben werden. Wie das mit den in Paris vereinbarten Klimazielen zu vereinbaren ist, muss sich freilich erst weisen.

Neue Energiestrategie

Im Frühjahr werden Wirtschafts- und Umweltministerium ein Grünbuch zur künftigen Energie-Strategie Österreichs fertigstellen. Auf dieser Basis wird mit Industrie, Versorgern, Ländern und Umweltschutzorganisationen verhandelt. Bis Jahresende wird dann diese Strategie vorliegen. Das muss auch so sein, denn die EU-Länder haben sich verpflichtet, bis 2017 verbindliche Konzepte auf den Tisch zu legen. Die werden dann in die Pläne zur Energieunion der EU eingebaut. Auch wenn erst Jänner ist, dieser Weg ist überaus ambitioniert, denn an den Energiemärkten ist Chaos ausgebrochen. Der Ölpreis liegt mit 28,70 Dollar je Barrel (159 Liter) auf dem Stand von 2003. Der Gaspreis dümpelt dahin, der Strompreis ist an Börsen auf 2,90 Cent je Kilowattstunde gefallen.

Beim Öl- und Gaspreis wird dies von Analysten auf geopolitische Veränderungen zurückgeführt (die Sanktionen gegen den Iran sind am Wochenende aufgehoben worden). Beim Strom liegt es - so Kraftwerksbetreiber - an den massiven Verzerrungen durch die Ökostrom-Subventionen. So wird der Ausbau etwa von Wind- und Solarenergie durch Preiszuschläge unterstützt, dem steht auf der anderen Seite ein fixierter Einspeisetarif gegenüber.

In der Nordsee wurden immense Windpark-Anlagen errichtet, deren Kapazitäten den Preis nach unten drücken.

Was sich toll anhört, hat aber einen gewaltigen Pferdefuß. Wegen der fehlenden Leitungskapazitäten zwischen Nord und Süd müssen aus physikalischen Gründen immer wieder hohe Strommengen in die Gegenrichtung geschickt werden. Nur dadurch wird ein Leitungszusammenbruch - und damit ein "black out" der Stromversorgung - verhindert. Diese Strommengen kommen aber aus kalorischen und Gaskraftwerken. Das Kohlekraftwerk der EVN in niederösterreichischen Dürnrohr etwa kann binnen Minuten ans Netz gehen. Und muss das immer wieder tun, etwa in der ersten Jänner-Woche, als es weder viel Sonne noch viel Wind gab. Die EVN verkauft den benötigten Strom nach Deutschland.

Gut für die EVN, schlecht für die Umwelt. Vollkommen unklar ist, ob der in Österreich für 2025 angepeilte Ausstieg aus der Kohle wirklich stattfinden wird können. Die Verbundgesellschaft will das Kraftwerke Mellach bis 2025 vom Netz nehmen. Inoffiziell ist von Landesversorgern zu hören, dass die mehrheitlich staatliche Verbundgesellschaft dadurch die Stabilität der Stromnetze in Österreich reduziert. Die EVN habe - so ist aus dem Wirtschaftsministerium zu hören - bereits vorgefühlt, ob Dürnrohr nicht über 2025 hinaus am Netz bleiben könne.

"Wenn die Sonne untergeht, sinkt der Anteil der Solarenergie. Bei Windstille funktioniert kein Windrad", so ein Verbandssprecher der Stromerzeuger Österreichs. Bisher werden solche Schwankungen ausgeglichen, weil Gas- und Kohlekraftwerke auf "stand-by" gehalten werden, um den Abfall zu kompensieren. Nur ein deutlicher technologischer Fortschritt bei der Stromspeicherung könnte hier Erleichterung bringen.

Bei den kommunalen Versorgern, vor allem Wien, wiederum würde ein Komplettausstieg aus fossiler Energie bedeuten, dass die Fernwärme völlig neu zu organisieren wäre. Wer das bezahlen wird, ist ebenfalls offen. Im Wirtschaftsministerium liegt jedenfalls ein recht breit formulierter Vorschlag der Versorger, mittels "Energieanleihe" mit Haftung der Republik Abhilfe zu schaffen.

Aber auch die OMV ist von der kommenden Energiestrategie und den vielen offenen Fragen betroffen. Der Verkehr ist als Bereich größter "Umweltsünder", zudem ist die OMV größter Marktspieler bei Erdgas. Umweltminister Rupprechter sagte bereits, dass die OMV in seinen Überlegungen eine wichtige Rolle spiele. Die derzeitigen Investitionspläne des heimischen Unternehmens, das durch die Pläne einer Verflechtung mit dem russischen Staatskonzern Gazprom in der Kritik steht, nehmen auf den geplanten Ausstieg aus fossiler Energie kaum Rücksicht. Zudem leidet die OMV am niedrigen Ölpreis, der die Förderung unrentabel machen würde. Erdgas wird zwar oft als "Brücken-Energieträger" bezeichnet, bis erneuerbare wettbewerbsfähig werden, doch der Gegenwind wird stärker. Rupprechter hat - im Verein mit Umweltschutzorganisationen - gefordert, den Einbau von Ölheizungen in Gebäuden zu stoppen.

Großprojekte sind tot

2014 lagen mit 76,3 Millionen Tonnen CO2
-Äquivalent die Emissionen laut Treibhausgas-Bilanz des Umweltbundesamtes erstmals unter dem Wert von 1990. Für die Grünen eine arme Freude, sie verweisen auf den milden Winter. Minister Rupprechter räumte ein, dass dieser Wert erfreulich sei, aber kein Ruhekissen darstelle.

Faktum ist, dass bei diesem Strompreis Investitionen in Speicherkraftwerke unterbleiben. Sie wären zwar hilfreich, wie etwa effizientere Hochspannungs-Gleichstromleitungen, sind finanziell aber derzeit nicht darzustellen. 50 Milliarden Euro müsste die Stromwirtschaft investieren, so eine Berechnung, um die Klimaziele zu unterstützen. "Selbst dann gibt es Bürgerinitiativen, die alles verschleppen", meint der Sprecher der E-Wirtschaft.